Die Poeten der Nacht von Barry McCrea

Wer „Die Schatten des Windes“, den Megaseller von Carlos Ruiz Zafón, verschlungen hat, der wird auch hier auf seine Kosten kommen. Wer auch noch besonders gerne originelle Coming-Out-Geschichten liest, der muss sich „Die Poeten der Nacht“ des Iren Barry McCrea besorgen. Doch ganz von Anfang an: Der junge irische Literaturstudent und Beckett-Stipendiat Niall kommt nach Dublin und tauscht sein bisheriges Leben als Sohn aus gutbürgerlichem Elternhause mit dem Leben inmitten hedonistischer Kommilitonen ein. Diese verbringen die meiste Zeit in der Dubliner Subkultur, trinken und rauchen sehr viel. Für Niall eine fremde Welt, die er bis dahin nicht kannte, denn in den letzten Jahren konzentrierte er sich neben der Schule auf seine große Liebe Patrick, die natürlich unerwidert blieb. Der Sportler Patrick traf sich mit seinen Kumpels in Pubs, während Niall zuhause saß… Bei einem seiner ersten Kneipenabenden mit viel Alkohol wird Niall auf der Straße verprügelt. Doch er hat einen Retter, John, den er männlich und sehr attraktiv findet. Und der ihn vor allem in die Welt der „Sortes“ einführt, eine seit dem Mittelalter angewandte Methode der Wahrsagung, bei der ursprünglich in einem Vergil-Text, später in der Bibel, eine beliebige Stelle aufgeschlagen wurde und in Beziehung gesetzt wurde zu persönlichen Problemen des Fragestellers. Bei einer Party sieht er wie John und Sarah diese Methode anwenden. Die beiden Vorbilder haben jedoch keine Lust auf einen Novizen und so versucht er ihnen irgendwie zu begegnen. Doch will die Organisation „Pour Mieux Vivre“, die angeblich hinter diesem „Spiel“ steckt, ihn vielleicht sogar dabei haben? Man erfährt es nie so genau… In der Zwischenzeit macht er seine ersten Erlebnisse in der Dubliner Szene, vögelt sich quasi durch diese und ist angeblich auf der Suche nach der großen Liebe…

Zuerst glaubt Niall nicht an diese Methode, an „Sortes“, doch als die ersten zufälligen Fragen, die er stellt, schlüssige Antworten ergeben und er tatsächlich durch diese „Sortes“ Sarah und John findet, die ihn zu meiden versuchen, verfällt er diesem „Spiel“, das zu einer Sucht wird, der er sich bald nicht mehr entziehen kann. Diese Sucht bestimmt sein Leben, bis er vollkommen zusammenbricht…

Es ist ein wirklich spannendes Buch, das der 1974 in Dublin geborene Barry McCrea hier vorlegt. Er ist Professor an der Universität Yale und seine immensen literaturwissenschaftlichen Kenntnisse merkt man dem Roman sehr an. Manchmal ist es vielleicht auch zu viel des Guten, zu viele Leerstellen sind vorhanden – zumindest für Menschen, die nicht Literatur studiert haben. Manchmal fragt man sich auch, ob er sich Klischees von Iren bedient oder ob er tatsächlich alle Figuren ernst meint. Zumindest scheint es so, als würden alle Dubliner jeden Abend Bier saufen, gleich mehrere Zigarettenpackungen rauchen und sehr gesellig sein. Am liebsten möchte man sich in den nächsten Flieger nach Dublin setzen und sich Nialls Kommilitonen anschließen. Allerdings möchte man auch deswegen hinfliegen, um ihn zu schütteln, in den Arsch zu treten, weil er es schafft, einem hartnäckigen potenziellen und vor allem liebenswerten Beziehungspartner wegen „Sortes“ zu vergraulen – und zwar gleich mehrmals.

Die geneigten Zuhörerinnen und Zuhörer sollen sich das Buch kaufen, deswegen verrate ich das Ende nicht, aber ich möchte etwas davor warnen: es ist eines, das man schwer interpretieren kann, vielleicht gar nicht – das sollte man beim Kauf berücksichtigen…

Erhältlich ist es zumindest im Fachhandel für 9,95 Euro – es ist im Aufbau Verlag im Jahre 2008 erschienen und umfasst 427 Seiten.

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