Safe Heaven von Vanja Vukovic und Guido Rohm

„Das Buch wird sterben!“ Diesen Unkenruf gab es beim Aufkommen der Television, gab es, als die Personal Computer plötzlich Einzug in unsere Häuser fanden, später das Internet und nun wird er lauter denn je: die ganzen neuen Technologien, die Tabletts, die iPads und Smartphones, die eBooks und enhanced eBooks. Das Buch wird sterben – und doch werden mehr Bücher gedruckt denn je. Und ich bin zuversichtlich, dass es immer Bücher geben wird. Ich bin zuversichtlich deswegen, weil es den B3 Verlag gibt, und weil ich einen besonderen Schatz dieses kleinen, aber sehr feinen Verlags entdeckt habe. Denn so lange es gut ausgestattete, besondere Bücher wie dasjenige, das ich jetzt vorstelle, gibt, so lange wird dieses Medium weiter existieren. 

 

Ich mag es, auf dem iPad zu lesen und finde es keinesfalls unsexy, aber an „Safe Heaven“ von Vanja Vukovic und Guido Rohm kann man alle Vorteile eines schönen Buches erkennen. Das Taktile: das feste kartonierte, sich sehr gut anfühlende Papier, die handliche, angenehme Größe des Buches, der Geruch: leicht nach Druckerschwärze duftend, das Auditive: das Rascheln des Papieres, das Visuelle: Sicher gibt es das Buch auch im Internet zu betrachten, aber Fotos sehen analog cooler aus, geben einem eine andere Atmosphäre, das Licht fällt anders darauf, man kann es drehen und wenden, auf den Kopf stellen, man kann seinen Blick viel besser darauf fixieren. Und vor allem kann man es anderen Menschen in die Hände drücken und sagen: Schau mal, fühl mal, riech mal, hör mal, spüre dem allen nach. 

 

Safe Heaven von Vanja Vukovic und Guido Rohm ist in der Edition Faust erschienen – diese Reihe möchte Bildmagie und Wortkunst miteinander vereinen. Oder vielmehr „die Synergien zwischen Bild- und Sprachmedien ermöglichen“. Edition Faust wurde aus dem Online-Kulturmagazin Faust www.faust-kultur.de entwickelt und erscheint im Frankfurter B3 Verlag in Zusammenarbeit mit der Galerie Art Virus.

 

Meine erste Assoziation bei den Bildern der Fotografin Vanja Vukovic waren merkwürdigerweise Psychothriller und Horrorfilme, ich dachte zuerst an „Lost Highway“ von David Lynch oder an „Gothika“ mit Hale Berry. In unzähligen Filmen wird mit diesem Motiv „Mensch auf Straße, schwach beleuchtet, taucht plötzlich auf“ gespielt. Nun hatte Vanja Vukovic selbstverständlich eine andere Intention. Sie zeigt Nachtaufnahmen vor einem Flüchtlingsheim, ihre namenlosen Modelle begegnen ihrer Linse wie Geister, die dem künstlich beleuchteten Raum zu entfliehen suchen. Die in Montenegro geboren Städelschul-Absolventin hat während ihres Artist-in-Residence-Aufenthalts in Schöppingen sehr viel mit den Menschen im Flüchtlingsheim geredet, viel von ihnen erfahren, ihr Vertrauen gewonnen. Sonst wären diese wundervollen Bilder, die ebenso die Sensibilität der Künstlerin wie der Fotografierten offenbaren, nicht möglich gewesen.

 

Gemeinsam mit ihren Modellen überlegte die Künstlerin, an welchen Orten die Fotos gemacht werden sollen, jedes einzelne Bild gibt ein Stück der Geschichte des Fotografierten preis. Sie scheinen den Tag zu meiden, die Konfrontation mit den normalen Leuten, die in der „neuen Heimat“ bereits zuhause sind. Matthias Ulrich, Kurator an der Schirn, endet seine Worte zur Fotoserie mit dem Satz: „Ob sie den sicheren Himmel jedoch jemals erreichen, eine Fortsetzung ihrer Geschichte in einer neuen Heimat jemals niederschreiben können, steht auf einem anderen Blatt.“

Guido Rohm, der freischaffende Schriftsteller, in Fulda geboren und nun auch da lebend, schreibt dafür etwas. Eine kleine Geschichte, vielleicht eher Beobachtungen, Beschreibungen, die durch die Bilder inspiriert sind. Sie wiederholen nicht die „erzählten Geschichten“ auf den Fotos, sondern bringen neue Facetten hinein, spekulative, assoziative. Guido Rohm ist im Übrigen ein sehr interessanter Autor, ein „Genreflüchtling, der mit all seinen Texten Landfriedensbruch begehen möchte. Er sieht sich selbst als Grenzgänger, als einen Schleuser scheinbar verarmter Trivialliteratur in die ebenso scheinbar reichen Gefilde der ernsthaften Literatur. Es geht um das Unterlaufen tradierter Erzählstrategien.“ Seine Erzählung hat etwas genauso Gruseliges und zugleich Fesselndes wie die Fotos selbst. Seine Sprache ist von kurzen Sätzen geprägt, atemlos, flüchtig und zugleich geheimnisvoll. 

 

Das Buch „Safe Heaven“ von Vanja Vukovic, in der Edition Faust im Frankfurter B 3 Verlag erschienen, 30 Seiten umfassend, ist im Buchhandel für 14,90 Euro erhältlich. Es wurde leider viel zu wenig beachtet und rezensiert bisher, völlig zu Unrecht. Denn solche Bücher wie dieses sind die Rettung des Mediums Buch. Es ist wundervoll – und ich kann es jedem nur empfehlen. Das sind eindeutige 5 von 5 Sternen! 

 

Alle Zitate stammen vom B 3 Verlag http://www.bedrei.de/, aus dem Buch selbst und natürlich von www.faust-kultur.de Seite. 

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