Whipping Girl von Julia Serano

Nach der Erstveröffentlichung 2006 ist das Buch „Whipping Girl“ besonders in feministischen und LGBTQ Kreisen in den Kanon der must-reads aufgestiegen. Wir stellen heute die Neuauflage vor.

Serano, selbst eine Trans-Frau, spricht über Ihre Erfahrungen in einer Gesellschaft, die Sie nicht nur als Transexuelle, sondern auch als Lesbe als ‚anders‘ klassifiziert. Das Buch besteht aus einer Mischung von sozialer Kritik, Kulturanalyse, Überarbeitung von bestehenden oder Aufstellung von neuen Theorien und eigenen Erfahrungen.

Als selbstbezeichnete Feministin benutzt Serano nicht nur feministische Begriffe und führt viele Ereignisse auf die Männer-dominierte und maskulin-bevorzugende Gesellschafft zurück, sondern kritisiert auch gerne feministische Theorien. Da Feminismus eine Bewegung ist, die aus sehr vielen, diversen Menschen mit unterschiedlichen Ansätzen besteht, gibt es auch unter Feministen verschiedene Konfliktpunkte.

Zum einen kritisiert Serano transphobische Feministen und andere Theoretiker, die in der Vergangenheit behaupteten, dass Trans-Frauen gar nicht wissen könnten, wie es sich anfühle, eine Frau zu sein. Sie entgegnet, dass auch jede cis-Frau unterschiedliche Erlebnisse habe. Was alle Frauen – cis und trans – jedoch verbindet, sei, wie eine Frau behandelt zu werden. Das merkte Serano zuerst während ihrer Transition: Alltägliche Sachen, dass Männer sie länger anstarrten oder sich am Bussteig näher an sie stellten, ihr nachliefen. Diese Erfahrungen nimmt Serano also als verbindendes Glied zwischen allen Frauen und appelliert an deren Zusammenhalt.

Darüber hinaus argumentiert sie, dass sie als Trans-Frau nicht nur Transphobie, sondern wohl eher „Trans-misogyny“, also Trans-Frauenhass, erfahre. Das hänge damit zusammen, dass Weiblichkeit und das Frau-Sein in unserer Gesellschaft immer noch als „schlechter“ angesehen würde. Auch wenn Trans-Männer genug Transphobie und Diskriminierung erfahren, sei es allgemein für Menschen verständlicher, dass, um es prägnant auszudrücken, Frauen Männer sein wollen – allein schon der sozialen Privilegien wegen. Umso unverständlicher sei es für viele zu verstehen, warum Männer Frauen sein wollen. Serano selbst ist zum Beispiel gesellschaftlich von einem heterosexuellen Mann zu einer lesbischen Frau geworden – in der sozialen Hierarchie also eher abgestiegen. Das sei auch der Grund dafür, dass in den Medien oft nur sehr feminine Trans-Frauen und nicht Trans-Männer sensationalisiert werden. Feminine Trans-Männer und maskuline Trans-Frauen – wie Serano selbst – werden oft komplett aus dem Bild gelassen.

Auch kritisiert sie die Theorie, dass Frauen – besonders feminine Frauen – maskuliner werden sollen, damit sie ernst genommen werden. Frauen haben zwar vielleicht schon einen gewaltigen Schritt in Richtung Gleichheit gemacht, Weiblichkeit hingegen wird immer noch als der Männlichkeit weit unterlegen eingeordnet. Zum Beispiel würde Makeup tragen und das Zeigen von Emotionen oft nur mit Frauen assoziiert werden und gleichzeitig als „schwach“ und „oberflächlich“ gelabelt. Wir müssten aufhören, so schreibt sie, Weiblichkeit – welche in allen Geschlechtern vorkommen kann – als Zeichen der Verletzlichkeit darzustellen. Diese sei nämlich alles andere als verletzlich: Man müsse nur Mal einen durchschnittlichen Mann bitten, eine Handtasche zu halten und beobachten, wie weit weg er sie von seinem Körper halten wird.

Das war ein kleiner Einblick in das Buch „Whipping Girl“ der Autorin Julia Serano. Wir empfehlen die Lektüre allen, die mehr über die Trans-Erfahrung lernen wollen und ihr feministisches Verständnis erweitern möchten – oder einfach Lust auf etwas Neues haben.
In Deutschland ist die Neuerscheinung seit dem 8. März 2016 für ca. 15 Euro zu kaufen.

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