Holländische Gay-Kurzfilme

 

Die Holländer waren ja schon immer ein wenig freizügiger – was also liegt näher, als sich mal anzusehen, wie sie schwule Geschichten verfilmen.

Beginnen wir mit Body Image, der von Paul Sixta im Jahre 2006 geschrieben, inszeniert und gedreht wurde. Ein Junge lässt sich von einem anderen massieren und sein Körper erinnert sich dabei an eine vergangene Liebesgeschichte. Es enthüllt sich in wunderschönen Super8-Bildern der Moment eines lauen Sommertags in einer Mansardenwohnung, mit Sex, Leerlauf und selbstgebackenem Kuchen. Die Schauspieler Tim Murck, Emiel Sandtke und Dave Mantel müssen eine Geschichte erzählen, ohne zu reden. Dabei ist faszinierend zu beobachten, wie viel man trotzdem versteht. Natürlich wird eine große Interpretationsfläche eröffnet, aber das macht eher Spaß als abzuschrecken.

Im zweiten Film, der der längste ist, spielt Emiel Sandtke wieder eine der beiden Hauptrollen. Es ist eine sehr provokante Geschichte, die Boudewijn Koole in Trage Liefde – Mit geschlossenen Augen erzählt. Die Figuren handeln für Außenstehende sehr merkwürdig. Felix sucht seinen Vater Johan, der nichts von ihm weiß – und die Annäherungsversuche des gutaussehenden jungen Mannes ganz falsch versteht. Dieser Film von 2007 ist ein sehr sperriges, ungewöhnliches, verstörendes Werk, aber gerade das macht ihn sehr spannend und sehenswert. Eine wichtige Rolle spielt darin die Musik. Auf der einen Seite der Jazz des ehemaligen Musikers Johan, der von Victor Löw verkörpert wird. Auf der anderen Seite Jeff Buckleys „Hallelujah“, das aufspielt, wenn der melancholische Felix sich auf sein Motorrad setzt, nachdem er bei Johan war, und erneut nicht erzählt hat, dass der Ältere sein Vater ist. Felix heißt  „der Glückliche“. Doch das trifft auf unseren Helden nicht zu.

Als dritten Film möchte ich Matrosen aus dem Jahre 1997 vorstellen. Dieses Werk vom flämischen Filmemacher Bavo Defurne zeigt eine zauberhaft bunte Fantasie über junge Seefahrer und ihre Liebhaber an Land, über Heimweh und Einsamkeit und Limonadenflaschen, die mit den Zähnen geöffnet werden. Dabei sehen die Schauspieler Joram Schurmans, Tom de With und Tim Peters sehr attraktiv aus. Man wünscht sich permanent, dass dies ein Porno wäre, und kein künstlerisch hochwertiger Film, der wie bereits der erste Film, ganz ohne Worte auskommt.

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Connie und Carla von Nia Vardalos

 

Bereits als kleine Mädchen tanzen und singen Connie und Carla, doch sie haben damit in der Schule genauso wenig Erfolg wie später als Erwachsene. Der Durchbruch möchte nicht gelingen. Die beiden singen in einem kleinen Dinner Theatre vor ungefähr zehn gelangweilten schlafenden Greisinnen. Und ihre Freunde glauben ebenfalls nicht an den Erfolg, machen sich sogar lustig über sie. Eines Tages ändert sich ihr Leben. Nämlich in dem Moment, als ihr Chef von Gangstern umgebracht wird, und sie das beobachten. Die Frauen laufen um ihr Leben. Sie schaffen es sich nach L.A. abzusetzen und finden dort über Umwege in einem Kosmetik-Salon, wo sie nach zwei Stunden gefeuert werden, Unterschlupf in einem Drag-Queen-Club. Hier haben sie endlich den Erfolg, den sie sich immer erhofft hatten. Standing Ovations jeden Tag vom schwulen Publikum. Ihr wahres Geheimnis zu hüten erweist sich indes schwieriger als gedacht.

Tja, der Film hört sich nicht nur nach Kitsch an. Er ist es. Doch es gibt Kitsch, der einen unerträglich langweilt und Kitsch, der so doof erscheint, dass es wieder witzig ist. Dazu gehört dieser Film eindeutig. Allerdings hat es sich die Filmemacherin Nia Vardalos, die bereits mit „My big fat greek wedding“ einen unerwarteten und fabulösen Erfolg hatte, sehr einfach gemacht. Sie dachte sich wohl: hm, was passiert wohl, wenn ich „Sister Act“, „Priscilla“ und „Too fong woo“ kreuze, die hinreißende Toni Collette, die einst in dem Kultfilm „Muriels Hochzeit“ brillierte, als Duettpartnerin engagiere, und ein paar Sympathieträger als Unterstützung verpflichte? Ganz einfach: ein Erfolg, zumindest in der Community der Schwulen und Lesben. Das Rezept ist so einfach wie durchschaubar: ein paar dumbe Gags, viele Musical-Lieder, schrille Kostüme, etwas fürs Herz und natürlich ein gelungenes, gerade weil vorhersehbares, Happy-End. My big gay heart, was willst du mehr?!

Ja, es muss gesagt werden: der Film ist Kult! Ich lege meine Hand ins Feuer dafür, dass jede Tunte dieser Erde beim Anschauen dieses Films mindestens drei Mal lacht und einmal mitsingt. Und jetzt kriege ich wahrscheinlich Ärger wegen fehlender Political Correctness. Aber genau das ist auch das Thema dieses Movies. Das Sympathische an diesem Film ist, dass er zwar viel will, aber dies nicht auf enervierende Weise tut. Nein, mit einem Augenzwinkern gehen die beiden Heroinnen gegen den Hollywood-Schönheitskult an und kämpfen für mehr Toleranz gegenüber Transen. Das Letztere passiert vor allem in den Szenen, in denen der Bruder einer Drag Queen, gespielt vom wie immer hölzernen David Duchovny, in diesem Fall allerdings passender Weise, eine Annäherung an seinen Bruder sucht. Berührungsängste begleiten ihn dabei, die ihm Connie versucht auszutreiben, nicht allerdings ohne eigene Hintergedanken. In einer Szene fragt er dann dementsprechend, hm, was ist denn der Grund, dass sich Tunten wie Tunten benehmen, er könne dies nicht verstehen. Die Frage bleibt – nein, die Dialogpartnerin gibt darauf keine direkte Antwort. Warum? Weil es vollkommen egal ist.

Dies ist eine Moral, die in diesem Film eine wichtige Rolle spielt. Keine großen Erklärungen, keine peinlichen Dialoge darüber, außer wenn man sich über genau solche lustig machen möchte. Vieles wird parodistisch überzeichnet und keiner hat das Gefühl: hey, musste das jetzt sein. Einer der Gangster gewinnt dann auch im Laufe des Streifens an Kontur, er durchbricht das Stereotyp des kaltblütigen, emotionslosen Profikillers, und wird zu einer heimlichen Lieblingsfigur. Mit diesem Kunstgriff, der auf den ersten Blick platt wirkt, zeigt Nia Vardalos noch einmal, wie sie unbeschwert für eine Normalität und eine Sympathie sorgt, ohne große, geschwätzige Worte. Ja, sagt uns dieser Film, sei, wie du bist, und steh dazu. Mach kein Drama draus. Sei eine Persönlichkeit und dann verdienst du Respekt. Ob du diesen Respekt dann zugestanden bekommst, ist eine andere Frage. Darauf hast du vielleicht keinen so großen Einfluss, das heißt allerdings nicht, dass du es deswegen gleich sein lässt!

Die DVD ist ganz gut gemacht, nützliches Bonusmaterial hinzugefügt. So kann man sich beispielsweise witzige Szenen anschauen, die herausgeschnitten wurden, einen alternativen Schluss, ein anderes Abschluss-Lied, Kommentare vom Regisseur und Versprecher der Schauspielerinnen.

Die DVD „Connie und Carla“ wurde 2004 in den USA gedreht, ist bei UfA Home Entertainment erschienen und für 19,99 Euro im Fachhandel erhältlich.

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Water Lilies – Naissance des pieuvres von Céline Sciamma

 

In diesem Film ist die 15-jährige Marie (Pauline Acquart) die Hauptperson, die an sich selbst und an ihrer Identitätsfindung leidet. Wir beobachten sie, wie sie zu Beginn des Films die Auftritte der Synchronschwimmerinnen verfolgt. Sie bewundert die reifer wirkende, hübsche Floriane (Adèle Haenel), die diese Gruppe führt. Zugleich ist die Außenseiterin Marie mit der leicht übergewichtigen Anne (Louise Blachère) befreundet: eine kindlich-verschworene Freundschaft, die sakrosankte Züge trägt und die zunehmend überschattet wird von der Rivalität zwischen Floriane und Anne, die um den gleichen Jungen buhlen. Doch die sich entwickelnde Distanz hat noch einen anderen Grund: Marie ist in Floriane verliebt und möchte alles tun, um ihr zu gefallen. Zum Beispiel deckt Marie sie, damit Floriane den angehimmelten Francois treffen kann. Aus dieser Vertrautheit entsteht eine intime Nähe, die in eine ungeahnte Richtung geht.

Ursprünglich hatte Céline Sciamma das Drehbuch als Abschlussarbeit an der Filmhochschule „La Fémis“ verfasst, doch der Dozent Xavier Beauvois überredete die Autorin dazu, ihren eigenen Stoff auch selbst als Regisseurin zu verfilmen. Der Film feierte schließlich seine Premiere im Jahre 2007 beim Filmfestival von Cannes, wo er in der Reihe „Un certain regard“ gezeigt wurde.

Sciamma inszenierte einen sehr ruhigen, verhaltenen Film, in dem es weniger um viel Handlung oder lange Dialoge geht, sondern mehr um die Emotionen, die die fabelhaften Jungschauspielerinnen darstellen sollen. Nähe und Distanz zwischen den Figuren werden nicht durch Worte dargestellt, sondern durch Gesten und Blicke. Die Nöte der Pubertät, die damit verbundenen Sehnsüchte, die Identitätssuche und die Enttäuschungen sieht man in den Gesichtern und den Körperhaltungen.

Eines der Themen dieses Films ist der Schein und das Sein: in verschiedenen Einstellungen wird dies in den Aufführungen der Synchronschwimmerinnen gezeigt. Über dem Wasser lächeln die schön geschminkten, dünnen Mädchen und bewegen sich anmutig, während sie unter der Wasseroberfläche strampeln und zappeln. Dies wird dann in der Kapitänin Floriane auch auf eine andere Ebene gespiegelt: die Umgebung glaubt, dass sie eine „Schlampe“ ist und schon mit vielen Männern geschlafen hat, z.B. mit Francois, aber auch mit einem der Trainer. Diese scheinbare Abgeklärtheit  ist allerdings nur Schein und in Wirklichkeit ein Selbstschutz. Sie hat genauso wie die anderen Mädchen Angst vor dem ersten Mal.

Dieser Film ist atmosphärisch dicht und wirkt deswegen so eigenartig, weil kaum Erwachsene auftreten. Die Eltern von Marie und Anne zum Beispiel tauchen im gesamten Film nicht auf. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Handlungsorten: meist sind die Figuren im Schwimmbad, einem Ort, den Sciamma folgendermaßen beschreibt:

„Für mich ist es ein schwüler Ort, wo Begierden geboren und Dinge offenbart werden.“

Die Regisseurin möchte ebenso die angesichts Olympia aktuelle Frage von strenger Kontrolle und Disziplin beim Sport thematisieren. Die Mädchen werden genau überprüft, ob sie sich enthaart haben, ob ihre Frisuren und ihr Makeup sitzen, ob sie genug Muskeltraining gemacht und Diät eingehalten haben. Der sterile, kalte Raum der Schwimmhalle scheint diese militärisch anmutende Zurichtung noch zu unterstützen. Und doch ist dies zugleich der Ort, an dem die Konzentration auf den Körper verborgene Blicke und sexuelle Phantasien weckt. Dieses veranschaulicht sie durch die verstohlenen Blicke Maries, aber auch der Jungen um Francois bzw. dem jugendlichen Trainer, der Floriane verehrt und nachstellt.

Es gibt Filme, deren Inhaltsangabe man liest und denkt: oh je, das ist doch nichts, was mich interessiert! Was will ich mit einem Coming-of-Age-Film, der von kleinen Mädchen handelt, die zu allem Überfluss Synchronschwimmerinnen sind? Und dann stellt man fest: Der Film ist ja wirklich gut, ja, man wundert sich, wie gut man sich unterhalten oder inspiriert fühlte. Dies geschieht hier.

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Hellbent von Paul Etheredge-Ouzts und Gay Zombie von Michael Simon

 

Paul Etheredge-Ouzts hat im Jahre 2004 „Hellbent“ nach seinem eigenen Drehbuch verfilmt. Es ist die Nacht vor Halloween. Zwei Jungs haben ein Date im Wald, als plötzlich ein muskelbepacktes Wesen mit metallener Teufelsmaske und gebogenem Messer auftaucht. Am nächsten Morgen werden sie gefunden – ohne Kopf… Der junge homosexuelle Eddie wird auf diesen Fall angesetzt. Er beschließt mit seinen Freunden Chaz, Joey und Toby auf die große Halloweenparty ins MeatLocker zu gehen, um dort zu ermitteln. Er hofft, seinen geheimnisvollen Flirt Eddie dort wiederzutreffen. Aber diese Nacht gehört dem Teufel und der mysteriöse Unbekannte folgt der aufgekratzten Gruppe. Inmitten der verkleideten Zombies, Geister und Kettensägenopfer merken sie nicht, wie einer nach dem anderen seinen Kopf verliert… Weiß Eddie um die Gefahr, in der er schwebt? Wird er der Final Boy sein?

Dies ist nicht nur der erste Gay Splatter Film, den ich bespreche, sondern überhaupt wohl der erste Horrorfilm, der Eingang in dieses Magazin findet. Grund genug, ein bisschen mehr zu diesem Genre als Hintergrund zu erzählen.

Splatter ist eine Art des Horrorfilms, bei der die Darstellung von exzessiver Gewalt und Blut im Vordergrund steht. Der Begriff Splatter ist eine Amalgamierung, die sich aus den englischen Wörtern to splash und to spatter zusammensetzt, welche beide „spritzen“ bedeuten. Splatter ist zwar meist, aber nicht nur auf den Horrorfilm beschränkt, vielmehr finden sich entsprechende Elemente in den verschiedensten Genres. „Splatterfilme“ bilden daher nicht so sehr ein eigenes Genre, sondern bezeichnen eine allgemeine Strategie affektorientierter filmischer Körperdarstellung.

In jüngster Zeit feierte das Splatterkino mit zahlreichen Remakes „klassischer Splatterfilme“ ein Revival. Dabei sind z.B. Dawn of the Dead (2004) und Michael Bay’s Texas Chainsaw Massacre (2003) zu nennen. Ebenfalls auf teilweise positive Kritiken stieß Alexandre Ajas Remake des Films Hügel der blutigen Augen (1977) von Wes Craven, The Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen.

Splatterfilme rufen wie kaum eine andere Art von Filmen (ausgenommen vielleicht Pornografie) zwiespältige Reaktionen und zum Teil deutliche Ablehnung hervor. So gelten die blutrünstigen, aggressionsgeladenen und oft mit dem Gefühl des Ekels spielenden Werke vielen Rezipienten als geschmacklos, wenn nicht pervers oder „krank“. Dies macht auch die Rezension eines Splatterfilms sehr schwierig. Was sind denn objektive Kriterien eines Splatterfilms? Ich weiß es nicht. Hat es mir Spaß gemacht, diesen Film zu schauen? Ja. War er spannend? Doch, ja. Konnte man das Ende vorhersehen? Doch, schon. Waren die Effekte gut? Nun ja, an die vorher genannten Produktionen kommt er nicht dran. Nein, sicher nicht.

Aber interessant ist die Perspektive schon: Diese „schwule“ Perspektive. Einerseits werden die Opfer aufgrund ihrer Homosexualität abgeschlachtet. Doch das Schwulsein wird nicht nur allgemein thematisiert, sondern auch die Sichtweisen der einzelnen Sub-Gruppen unter den Schwulen. Also, wie denken Hetero-Likes über Tunten, Transen über Lederboys usw. Das interessiert an dem Film. Ebenso übrigens wie der Kurzfilm „Gay Zombie“, der 2007 von Michael Simon gedreht wurde. Ich möchte nicht zu viel darüber erzählen, denn er ist ganz schön tricky und sehenswert. Natürlich auch hier die leicht billig wirkende Splatter-Ästhetik, die auch „Hellbent“ dominiert. Es ist sehr amüsant, wie die „Tunten“ versuchen, den Zombie zu einem attraktiven Schwulen zu gestalten. Wie auch bei „Hellbent“ auffällig ist, dass die Akteure nach bestimmten ästhetischen Kriterien ausgewählt wurden. Beide Filme sind einerseits amüsant und andererseits spiegeln sie genauso wie die Splatterfilme des Mainstreams, die ich vorher nannte, die Gesellschaft wieder und prangern sie auf ihre Art an.

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