Die blaue Tür. Ägäische Geschichten von Brigitte Münch sind Erzählungen über meist deutsche junge Frauen und Männer, die sich zu Griechenland und dessen Menschen hingezogen fühlen. Die sehr einfühlsame Brigitte Münch beschreibt entscheidende Situationen im Leben dieser Figuren. Sei es der junge Mann, der in Griechenland seine leibliche Mutter aufspürt und sie unvermittelt in ihrem Schneiderladen besucht. Sei es die junge Frau, die plötzlich ihren Job verliert. Die Autorin versucht die jahrtausende alten Traditionen Griechenlands heraufzubeschwören und gleichzeitig einen zeitgemäßen, neuen Blick auf das krisengeschüttelte Land zu werfen. Die meisten Erzählungen sind heteronormativer Art, doch zwei sind queer. Und auf diese möchte ich nun in diesem Beitrag eingehen, sind sie doch symptomatisch für das Schreiben Brigitte Münchs, die auch fließend Griechisch spricht und seit 25 Jahren in Naxos lebt. Sie kennt also dieses Land und seine Leute ganz gut.
In „Herzbube“ begleiten wir den Deutschen Stefan zum kleinen Kafenion, das nicht gerade gut besucht ist – es ist noch zu früh am Mittag, zu heiß. Die Griechen halten Siesta. Stefan unterhält sich mit der Wirtin Kalliopi über die gestrige Disco, über das Leben der Jugend. Er wartet auf Manolis, der sich etwas verspätet, und etwas weniger verkatert als der Deutsche ist. Manolis holt ihn ab, schließlich könne man in so einem kleinen Dorf nicht so offen und frei reden. Sie gehen also spazieren, hinunter zum Hafen, dann zu den Olivenbäumen. Auf dem Weg beginnen sie zu reden. Über die Liebe. Über sich. Sie hatten sich nachts zuvor kennengelernt, sich angeflirtet. Wie geht es weiter? Stefan ist in Deutschland verheiratet, mit einer Frau. Manolis ist überrascht.
Untergegangen sind wohl Mond
und Plejaden. Mitternacht
ist und vorbei geht die Zeit.
Ich aber, ich liege einsam.
Dieses Gedicht zitiert Moira in „Die Augen der Sappho“, Adressatin ist die deutsche Marion, mit der sie in einem Hain, zwischen Bäumen liegt, fast wie in einem Traum. Die Frauen flirten miteinander…
Brigitte Münch bringt immer wieder Bilder, Träume, Fantasien in die realistischen Erzählungen, Realität und Fiktion verschwimmen für die Figuren. Es ist immer ein Grenzgang, ein wirklich schmaler Grat. Wo ist es noch Romantik, wo beginnt der Kitsch? Wo ist es „traumhaft“ und wo einfach nur „esoterisch“? Ganz oft kann man das nicht so genau definieren. Die Autorin hält sich in immer sehr langen Beschreibungen von Orten und Menschen auf, es passiert dafür selten viel. Das kann in manchen Erzählungen funktionieren. In anderen tut es das nicht. In der Titelgeschichte „Die blaue Tür“ liest sich das alles sehr schön, die macht Spaß. In den beiden queeren Geschichten ist mir die Thematik vielleicht ein bisschen zu oberflächlich bearbeitet. Auch störe ich mich ein bisschen an der Stereotypisierung „Deutscher redet zu viel, denkt zu viel nach“ versus „Grieche ist spontan, emotional, handelt“. Es ist ein beliebtes Klischee. Es ist verzeihbar. Es ist eine Urlaubslektüre, am besten funktioniert sie wohl, wenn man gerade aus dem Fenster schaut, auf der Couch liegend, und draußen ist es am Tag bereits dunkel, wolkenverhangen, und man flüchtet sich mit dem Buch nach Griechenland. Auf eine kleine Insel. An den Strand. Schaut den Urlaubsflirts zu. Der Suche nach der eigenen Identität. Der Suche nach dem Platz im Leben…
Die blaue Tür. Ägäische Geschichten von Brigitte Münch umfasst 172 Seiten, ist in 2011 im Größenwahn Verlag, Frankfurt, erschienen und kostet 12,90 Euro.