„junge_von_nebenan“ erzählt die Geschichte einer Nacht, in der letztendlich alle Hauptfiguren dieses Romans sich am gleichen Ort treffen und alle Fäden zusammenkommen. In einem fiktiven Chatroom, den der Autor chat4gays nennt, bewegen sich mehrere Nutzer, teilweise Faker, aber auch Sexsüchtige, Coming Out´ ler, Fetisch-freaks und natürlich psychisch Gestörte. Die Hauptfiguren sind Harald, der mehrere Profile hat, in denen er sich immer als jemand anderes ausgibt, doch insgeheim am liebsten einen „echten“ Mann kennen lernen würde; Kevin, der im Chat seine erste große Liebe gefunden und gleich wieder verloren hat; Mehmet, ein Macho-Türke, der sich als Stute begreift und jeden Abend einen anderen passiven Typen sucht, den er sich nehmen kann; Torsten, der eine so genannte Tunte ist und Mehmet davon überzeugen möchte, dass ihr Treffen nicht nur ein One Night Stand darstellen sollte, sondern mehr werden könnte.
Dieser Roman ist sicher keiner, den man sich unbedingt kaufen muss, niemand wird sagen können, dass er ein großer Reißer ist. Nichtsdestotrotz ist er sehr sympathisch mit seinem Lokalkolorit: es ist ein schönes Gefühl ein Buch zu lesen, das in unserer Main-Metropole spielt. Es ist spannend, wenn eine Figur durch den Stadtteil streift, in dem man wohnt, andere Figuren in Clubs gehen, in denen man gelegentlich auch ist, oder auf Personen treffen, die man vielleicht im wahren Frankfurt auch kennt. Die Identifikation mit dem Roman gelingt auch deswegen sehr, weil jeder von uns doch diese ewigen Chattereien kennt, langweilige Litaneien des ewig Gleichen, jeden Tag die austauschbaren Typen, die auf der Suche nach schnellem Sex sind, die manchmal unangenehmen Kerle, die sich nach Fetisch-Orgien sehnen, die Psychopathen, die jemanden suchen, den sie volljammern können, weil sie bei Domian nachts nicht in die Leitung kommen. Ohja, wir kennen diese Situationen in diesem Buch, zumindest die meisten von uns, sehr gut.
Wir kennen die Charaktere, wir kennen diese Dialoge, in denen Menschen grausamste Rechtschreibung mit lausiger Grammatik vereinen, wir kennen die Gespräche über die Größe des männlichen Geschlechts, über Stellungen im Bett, über die „Szene“, über Faker und Spinner. Wir kennen natürlich auch die Stereotypen, mit denen im Chat genauso gespielt wird wie mit Realität und Fiktion. Dass da ein Mehmet ein Macho ist, der natürlich sexuell betrachtet nur aktiv agiert und ein Problem mit so genannten Tunten hat, in diesem Fall selbstverständlich ein deutscher Junge, ist zwangsläufig. Dieses Klischee ist altbekannt, kommt in der Realität auch häufiger vor und die Diskussion hatten wir in diesem Jahr schon häufiger in unseren Rezensionen. Vielleicht wäre es einmal erfrischend gewesen, die Rollen zu vertauschen, so als Tipp für unseren Autoren, der doch allzu gerne sämtliche Stereotypen und Vorurteile aus diesem Milieu herauskramt und damit den schwulen Lesern den Spiegel vorhalten möchte.
Am Ende dürfen wir lesen, dass doch alles seinen Lauf nimmt und gut wird. Wir amüsieren uns, ohne viel Tiefgang, und freuen uns daran, dass uns alles so bekannt vorkommt, ärgern uns gelegentlich, weil wir die gleichen frustrierenden Erfahrungen gemacht haben, oder sind ganz froh, in keinem dieser Chats zu sein und nicht in Etablissements wie das „Ranch“ zu gehen, in dem jeder mit jedem Sex hat. Jedem das Seine, und manch einem aus „unserer“ Szene das allermeiste. Das Buch ist harmlos und kurzweilig; er eignet sich besonders für die Straßenbahn oder den Grüneburgpark an bekannter Stelle.
Der Roman „junge_von_nebenan“ von Lutz Büge ist 2007 im Männerschwarm Verlag erschienen, umfasst 250 Seiten und ist in einer gebundenen Ausgabe für achtzehn Euro im Fachhandel erhältlich.