Wie fand ich das Buch?
„Der Roman ist absolut perfekt geschrieben, liest sich in einem Zug und hält den Leser bei der Stange. Besser als das meiste, was in meiner Buchhandlung steht.“
Dies sagt Harald Eck, exponierter Besitzer der Buchhandlung „Oscar Wilde“ in der Alten Gasse. So positiv kann man über dieses Werk urteilen, muss man aber nicht.
Bevor wir uns weiteren Kommentaren zuwenden, fasse ich kurz den Inhalt zusammen:
Marc, die Hauptfigur dieses Romans, ist ein 17-jähriger Schüler eines Hamburger Elitegymnasiums und ist nicht gerade auf den Mund gefallen. Man könnte fast sagen, dass er eingebildet, ja, arrogant ist. Dank seines guten Aussehens erhält er von Frau und Mann sehr viele sexuelle Angebote. Mit seiner Freundin Eva treibt er sich in der Gegend herum, lernt viele verschiedene Menschen kennen, erlebt Abenteuer. Eine der Bekanntschaften ist Petja, ein junger russischer Geiger. Eine weitere ein dreißigjähriger Journalist, in den sich Marc verliebt, und zwar das erste Mal in seinem Leben.
„Mir hat der Roman gefallen.“
Dies sagt Ingrid Noll, die bekannte Krimiautorin. Nun ja. Schauen wir mal weiter nach Rezensionen zu diesem Buch, vielleicht einmal bei Amazon:
„Eigentlich ist es ja in jedem Buch mit schwulem Inhalt das gleiche: Coming Out, gutaussehende Jungs, deren Beruf Topmodel nur noch einen Katzensprung entfernt ist und eine Tiefsinnigkeit, die die des Springbrunnens im Stadtpark nicht übersteigt… doch das ist hier anders. Ohne Umschweife kann ich sagen, dass es das erste Buch mit schwulem Inhalt ist, das ich zu Ende gelesen habe. 5 Sterne!“
Mh, das ist doch schon mal was! Fünf Sterne hat der Roman von allen Usern erhalten. Ein weiteres Statement:
„Mit Vorstadtjunge habe ich seit längerem endlich mal wieder ein gelungenes Buch gelesen: Witzig, Temporeich und gut geschrieben. Was mir sehr gut gefällt: Es hat eine bunte, glänzende Oberfläche, die sich leicht liest (Wer lässt sich nicht gerne von einem jungen, gutaussehenden Romanhelden auf seine Streifzüge mitnehmen??) und darunter viel Substanz über die Liebe und das Leben. Das Ende ist schön, aber eben nicht abgedroschen. Bruno Gmünder sei Dank endlich wieder ein guter Roman, der obendrein in Hamburg und Berlin spielt. Prädikat: Lesenswert.“
Erste Bemerkung dazu: Haben das Mitarbeiter vom Bruno Gmünder Verlag geschrieben? Oder gar Freunde des Autoren Moritz Stürmer? Wer weiß, wer weiß?! Wer kann das schon wissen im Internet? Die zweite Bemerkung: Genau! Dieser Roman hat eine bunte, glänzende Oberfläche. Und: tatsächlich, wer lässt sich nicht gerne von einem jungen, gutaussehenden Romanhelden auf seine Streifzüge mitnehmen. Nicht umsonst ist so ein Schnuckel auf dem Buchcover, auf dessen Stirn geschrieben steht: Nimm mich, wenn du es dir leisten kannst!
Es ist ein einfach zu lesendes Buch, kein großer Anspruch. Aber das kann man dem Buch nicht vorwerfen, schließlich will es überhaupt keinen Anspruch haben. Es möchte unterhalten, und das kann es gut. Leichtfüßig, mit jugendlicher, rotzfrecher Sprache bewegt sich die Hauptfigur durch das schwule Leben eines Großstädters. Reichliche schwule Fantasien inklusive. Das Buch tut niemandem weh. Im Gegenteil: es erregt den einen oder anderen schwulen Mann, „macht ihn feucht“. Spannung ist auch dabei. Wird die erste große Liebe funktionieren? Wird der „kleine arrogante Scheißer auf die Schnauze fallen“? Nein, man wünscht es ihm natürlich nicht. Viel zu aufgegeilt ist man ja schließlich von diesem Vorstadtjungen.
Die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Personen und noch viel mehr der Situationen: ach, das ist doch alles zweitrangig. Wer will sich darüber Gedanken machen? Hauptsache das Lesen macht Spaß. Und Hauptsache das Leben macht Spaß! So darf man das Buch lesen. Schwierigkeiten sind eben da, um sie zu bewältigen. Das ist doch klar in solchen Romane. Nein, vielleicht bin ich zu kritisch. Ein gutes Buch, und das gilt für jedes Genre, ist ein Buch, das man gerne liest. Und das kann man über den „Vorstadtjungen“ auf jeden Fall sagen. Es ist kurzweilig. Aber nicht nur das. Der berühmte „Mehrwert“, den ein Buch, eine Beitrag im Fernsehen oder Hörfunk, bieten soll, ist gewährleistet. Nicht jeder wird sich in der schwulen Szene in Hamburg und Berlin so auskennen wie der Autor. Nicht viele werden sich so gekonnt in die Gefühlswelt eines kleinen „Möchtegerns“ aus einem Vorort Hamburgs einfühlen können wie Moritz Sturm. Alles darüber hinaus kann das Buch nicht leisten, will es aber auch nicht. Und für das Herz, zumindest meines, ist dann auch der viel liebenswertere Petja dabei. Ein schwuler Geiger, der mit einem 17-jährigen unwiderstehlichen Typen rumhängt? Wo hatten wir das nochmal? Ach ja, „Queer as folk“. Nun, ein Zufall?
Aber: lest selbst, und schaut, ob es euch gefällt. Das Buch ist im Bruno Gmünder Verlag erschienen, umfasst broschierte 196 Seiten, kostet 14,95 Euro und ist im Fachhandel erhältlich.