In diesem Band 13 der Reihe Junge Liebe des Himmelsstürmer Verlags geht es um Daniel, einen jungen Zürcher Studenten, der ein paar Tage in Berlin verweilt, um seine dort lebende Tante zu besuchen. Er fährt mit dem Nachtexpress von Berlin nach Zürich, und da seine Verwandte wohlhabend und wohlmeinend ist, darf er in einem Luxus-Schlafabteil gen Süden fahren. Zunächst freut er sich darüber, dass er alleine in seinem Abteil übernachten darf. Plötzlich jedoch trifft er seinen alten Schulkameraden Enrico, der sich mit Charme das zweite Bett in diesem Abteil erschleicht. Daniel ist sich nicht sicher, ob ihn das erfreut, war doch der hübsche junge Mann sein Jugendschwarm auf der Schule. Je länger die Fahrt andauert, desto mehr erfährt man in Rückblicken über die gemeinsame Vergangenheit. Schon einmal teilten sie sich ein Zimmer auf einer Reise und da passierten aufregende Dinge. In diesem Roman geht es darum, dass der schwule Daniel über seine unerwiderte Liebe zu dem heterosexuellen Enrico nachdenkt, sich kurz vor Ende der Fahrt zum Bekenntnis durchringt, was überraschende Folgen zeitigt.
Vielleicht bietet sich genau dieser Roman an, um einmal über die Wortwahl derjenigen zu reden, die sich in der so genannten Szene, sei es in Kneipen und Discos, sei es im Chat wie z.B. bei Gayromeo bewegen.
„Hey, warum starrt mich der Boy so an?“
So beginnt dieser Roman. Und da stellt sich mir die erste Frage: Wieso wird der junge Mann „Boy“ genannt? Wieso gibt es bei Gayromeo so viele Pseudonyme, die das Wörtchen „Boy“ beinhalten? Ist denn das Wort „Junge“ oder „junger Mann“ nicht sehr viel schöner? So hat Daniel einen „Boy-Katalog“ und ein „merkwürdiges Feeling“. Was das erste ist, bleibt mir ein wenig schleierhaft, das zweite nenne ich deutsch: Gefühl. Was sollen denn diese vielen Anglizismen? Wieso heißt es „Gay-Bar“? Und warum: „sexy und sweet“? Der Autor scheint besser Englisch zu sprechen als Deutsch. Interkulturell hin, interkulturell her, Globalisierung hin, Globalisierung her – die deutsche Sprache verkommt, wenn sogar so genannte deutschsprachige Autoren bereits in jedem dritten Satz einen Anglizismus beziehungsweise einen englischen Satz verwenden.
Das ist nicht der Weg zu einem kulturellen Nebeneinander, wie man so gerne argumentiert, sondern ein Weg zur Vereinheitlichung, vor allem aber ein Weg zur weiteren Amerikanisierung der Welt, die kein Mensch brauchen kann. Wieso „Boyfriend“, „Cool-Faktor“, „Ok, that´ s it“ und so weiter? Möchten manche schwule Menschen ihre weltoffene Art zeigen? Oder wie begründet sich diese Ausdrucksweise? Wieso „Gay-Kumpel“? Und wieso „Lover“? Wieso in Gottes Namen spricht jeder neuerdings von „Locations“ und „Events“? Deutschland, du Land der Denker und Dichter, wohin treibst du nur?
Wie unsinnig diese Sprachwahl ist, die der Autor sich vielleicht deswegen ausgesucht hat, um die „Gay-Szene“ zu adaptieren, zeigt sich, wenn er sich selbst als Leseratte identifiziert und sich wünscht, einen Mann kennenzulernen, der genauso gerne liest wie er selbst. Dies gibt er als Grund an, oft in Buchhandlungen zu sein. Er markiert die Szene als dumm und oberflächlich, nur auf die Triebbefriedigung aus. Im nächsten Moment trifft er sich mit einem Unbekannten auf der Zug-Toilette, um mit ihm schnellen Sex zu praktizieren. Das Absurde ist daran, dass der Fremde sich natürlich in Daniel verliebt oder zumindest sehr attraktiv findet. Zufälligerweise fängt er nun ein Studium in Zürich an.
Offensichtlich schwärmt Daniel für Justin Timberlake, den er alle paar Seiten erwähnt, als Beispiel: „das Timberlake-Face“ bereits auf Seite 5.
„Und angeblich war er im Bett sowieso nicht der Hammer. Also hielt ich mich besser an andere.“
In diesem Roman gibt es ständig derlei Querverweise zur Popkultur, die oft reichlich infantil erscheinen. Der Blick, der auf andere Menschen fällt, ist einer, der nur auf die Oberfläche schaut, nur auf ein schönes Gesicht, auf einen gut gebauten Körper und auf Kleidung, die im Jugendjargon „hip“ zu nennen wäre.
„Ein Sixpac und Boxershorts – die konnten mir den Verstand rauben und mich total wehrlos machen.“
Wer sich an so einem Niveau nicht stört und auch kein Problem mit Klischees hat, denn so erfährt man, dass Frauen frischer aussehen können trotz wenig Schlaf, weil sie einfach mit Make-Up so viel verbergen können, kann dieses Buch getrost lesen. Allerdings sollte er nicht zu viele Szenen erwarten, die als so genannte „Wichs-Vorlage“ dienen können. Nun, es gibt ein paar Szenen wie der schnelle Sex im Zug, einige Wichs-Szenen mit ehemaligen Schulkameraden, es gibt sogar eine Vergewaltigungs-Szene, aber im Großen und Ganzen ist das Buch wohl eher für sehr junge Jugendliche mit sehr wenigen Erfahrungen geschrieben worden.
Der Roman „Nachtexpress“ von Leon da Silva ist 2006 neu als Taschenbuchausgabe im Himmelsstürmer Verlag erschienen, umfasst 123 Seiten und ist für 13,90 Euro im Fachhandel erhältlich.