Queer – ganz normal verrückt von Simon Rhys Beck

 

Der fünfzehnjährige Ben muss in eine betreute WG ziehen, nachdem sein Leben völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Dies ist seine letzte Chance, bevor ihn noch Schlimmeres erwartet. Doch auch an diesem Ort ist alles nicht so einfach. Die anderen Jugendlichen schleppen ebenfalls etliche Probleme mit sich, die den Jungen belasten, und der eine oder die andere Erzieherin machen ihnen das Leben nicht gerade einfacher. In dieser WG geht es nicht so harmlos zu, wie man sich das zunächst denken könnte… Und auch in der Schule erlebt der Protagonist einige Überraschungen. Eine sogar sehr schöne, die sein Leben verändert, sein Verhalten und seine Ansichten…

Wer braucht denn ein Buch zum Thema erste Liebe? Hm… Ich weiß nicht. Vielleicht irgendwelche Jungen in diesem Alter. Ist es wichtig solche Literatur zu haben? Diese Frage wird sich der Rezensent immer wieder fragen, so lange er Rezensionen über Schwulenbücher schreibt. Das Niveau sucht der geneigte Leser zumindest vergeblich. Anspruchsvolles wird man in den Büchern vom Himmelsstürmer Verlag jedenfalls nicht finden. Da sollte man vielleicht eher das Rosa Tagebuch kaufen, Jim im Spiegel, Tuchfühlung oder ähnliches. Auswahl an guten Büchern in dieser Richtung gibt es sicherlich genug. Was man in den Romanen dieses Verlages erwarten kann ist Sex. Es geht nur um eines. Und naiv ist, wer anderes erwartet. So dass die vermeintliche Zielgruppe doch in einem anderen Bereich zu vermuten ist. Bei den so genannten alten Säcken, um ein Klischee zu benutzen. Die Szenen lesen wollen, in denen Minderjährige das erste Mal Analverkehr haben und dergleichen. Ist ja auch ne schöne Sache. Eine tolle Wichsvorlage.

Was gibt das Buch sonst her? Einen Anspruch hat der Autor wohl, er möchte ganz viel mit dem Buch, nicht nur als Wichsvorlage dienen. Nur ist ihm das nicht gelungen. Er hat eine ernsthafte Problematik. Ben hat in seinem Leben viel durchmachen müssen, ist verstört und muss aus seinem Schneckenhaus hinauskommen. Seine Familie ist ein Alptraum, insbesondere sein Vater, aber auch seiner Mutter möchte er entfliehen. Bei Luka, einem Mitschüler findet er ganz andere Verhältnisse vor, geradezu unglaubliche Verhältnisse in Bens Augen. Damit ist er überfordert und reagiert manchmal sehr heftig und unerwartet. Überfordert ist allerdings auch der Autor: er erfindet irgendwelche unglaubwürdigen Dialoge, kreiert Situationen, die so wohl nicht im Leben vorkommen, und wenn, dann nur in den Träumen der besonders offenherzigen Schwulen. In der WG geht’s drunter und drüber, was das Sexuelle angeht, nun, ich war noch nie in so einer WG, kann mir das alles aber nicht so recht vorstellen. Aber gut.

Eines ist sicher: so stellt man sich ein solches Haus mit Jugendlichen um die 15 gerne vor. Selbst der nicht viel ältere Zivi, der sonst ja ganz hetero ist, gibt Ben einen fetten Kuss auf den Mund, und das aus lauter Nettigkeit, Glückseligkeit und Toleranz. Mit der Toleranz übertreibt es der junge Autor gerne einmal. Vor allem dann, wenn der ebenfalls fünfzehnjährige Luka Ben verzeihen muss, dass der ständig nebenher von Niko, einem Typen aus seiner WG gevögelt wird, um es mal deutlich auszudrücken. Unrealistisch ist es nicht, dass sie sich versöhnen, sondern in welchem Tempo. Und auf welche Art. Eine solche Reife, wie sie da Luka an den Tag legt, ist nicht einmal von weisen Erwachsenen zu erwarten. Aber das ist ja auch nicht so wichtig. Wenn er ihm nicht verziehen hätte, hätten sie ja nicht kurze Zeit später Analverkehr miteinander haben können. Und das ist doch wirklich wichtiger als Realismus. Bücher sind doch sowieso fiktional. Also, ist es auch nicht wichtig, wie Menschen funktionieren, sich in Situationen, die ihnen zustoßen, verhalten. Solange die Sexszene danach stimmt, freuen sich alle Beteiligten.

Nun, ich möchte auch etwas Gutes sagen können, Langeweile hatte ich selten, manchmal gelang es mir auch, mich in das Buch hineinzuversetzen. Nicht immer entsprangen daraus positive Gefühle. Nicht jeder hatte mit fünfzehn so viel Sex wie Jugendliche in solchen Romanen. Leider. Vielleicht ist das der Grund, wieso man eventuell diese Bücher braucht. Ja, eine interessante Idee. Daran liegt es wahrscheinlich. Und wahrscheinlich lesen diese Bücher nur Leute, die niemals Sex in dem Alter hatten. Denn wozu bräuchten die anderen diese Literatur?

Der Roman „Queer – ganz normal verrückt“ von Simon Rhys Beck ist 2005 im Himmelsstürmer Verlag in der Reihe „Junge Liebe“ erschienen, umfasst 172 Seiten und ist in einer Taschenbuchausgabe für dreizehn Euro neunzig im Fachhandel erhältlich.

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