Plattenbaugefühle von Jannis Plastargias ist ein typischer Coming Out Roman und auch speziell an Jugendliche ab 16 Jahre gerichtet. Das äußert sich an der Handlung, aber auch an der Sprache und den im Buch verwendeten Filmbeispielen zur Beschreibung von diversen Situationen. Doch dazu gleich mehr. Zunächst die Frage, worum geht es in diesem Buch?
Durch den Jobwechsel des Vaters ist die Hauptperson Jonas gezwungen von Berlin nach Darmstadt-Kranichstein umzuziehen und hier ein neues Leben aufzubauen. Der 16-jährige Schüler muss auf die EKS gehen, auf der muttersprachliche Deutsche eher die Seltenheit sind. Er muss neue Freunde finden, seine Freizeit neu gestalten, während sein bester Freund und seine Oma in Berlin geblieben sind, da ist dann nur eine Fernbeziehung per Telefon oder Skype möglich.
Er arrangiert sich mit seinem Schicksal, findet neue Freunde und lernt Afyon kennen, den Sohn türkischer Immigranten. In ihm findet er den Mann seiner schwulen Träume und auch Afyon fühlt sich von Jonas angezogen. Das bleibt nicht unentdeckt. Bei Jonas ist dies kein Problem, im Gegenteil: Das Umfeld hatte es bereits vorher gewusst, dass Jonas schwul ist. Bei Afyon sieht es anders aus: Er wird geschlagen und eingesperrt. Um den Lover ihres Sohnes vor weiteren Sanktionen zu schützen, entwickelt Jonas‘ Mutter einen Plan… Der geht zwar nicht ganz auf, aber das wäre auch zu übertrieben. Aber so gibt es einen großen Show-down mit einem unerwarteten Ende.
Jannis Plastargias beschreibt hier sehr detailliert die Irrungen und Wirrungen des Protagonisten. Manchmal etwas zu genau, denn es werden zur Beschreibungen auch diverse Kinofilme bemüht, die es erfordern, dass der Leser sie kennt. Auch wird die Musik beschrieben, die Jonas in dem einen oder anderen Moment hört. Auch hier muss der Leser sich auskennen, speziell in der New Hippie Bewegung. Ich kenne mich eher in der neuen deutschen Welle aus, da sagte mir MGMT nicht viel.
Und die Jugendsprache, speziell unter Deutsch-Türken versucht Jannis hier schriftlich wieder zu geben. Und so gibt es Geräusche wie „Bäddäung“, und Rufnamen wie „Tschounz“ – das erscheint mir dann auch eine Sprech – Generation später zu sein.
Die gesamte Handlung ist in sich spannend aufgebaut, da in den Zeiten der Handlung gesprungen wird: zunächst wird ein Stück vom Ende erzählt, in dem die Hauptperson verfolgt wird und sich ein Überfall anbahnt, und kurz vor dieser Auflösung wird sodann zeitlich nach hinten gesprungen, um zu erzählen, wie es zu dieser Schlussszene kommen konnte.
Auch interessant: Jedes Kapitel besitzt eine Überschrift, die – alle zusammengenommen, wieder einen Satz ergeben, über den man nachdenken kann. Ich – Traumhaft – Anders / Er – Doch – Theater – Krimi – / Real – sein. Aber vielleicht überinterpretiere ich hier.
Wichtiger an der Geschichte ist allerdings, der Migrationshintergrund von Afyon. Hier hätte ich mir als älteren Leser mehr Einblicke gewünscht. Aber wahrscheinlich wäre ich hier mit einem Sachbuch besser aufgehoben gewesen.
„Plattenbaugefühle“ ist im Größenwahn Verlag, Frankfurt, erschienen, hat 166 Seiten und kostet 12,90 €.