Spinner von Benedict Wells

 

Oktober 2008. Die Frankfurter Buchmesse ist im vollen Gange. Meine Schwester und ich laufen durch die vollen Hallen. Sie berichtet mir von der gestrigen Lesung im Römer und erwähnt Benedict Wells, der mir sicher gefallen würde. Wir gehen also zum Diogenes Stand… Wer steht da, leicht schüchtern und sehr süß? Der junge Autor. Natürlich ist es nicht legitim, einen Autor nach seinem Aussehen zu beurteilen. Aber mein Interesse war geweckt. Ich kam in Kontakt mit dem Verlag und erbat ein Rezensionsexemplar von „Becks letzter Sommer“, dem Debütroman von Benedict Wells.

Benedict Wells wurde 1984 in München geboren. Mit sechs Jahren begann seine Reise durch drei bayerische Internate. Nach dem Abitur 2003 zog er nach Berlin. Dort entschied er sich gegen ein Studium und widmete sich dem Schreiben. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit verschiedensten Jobs. Er arbeitete zum Beispiel zwei Jahre lang als Redakteur beim Fernsehen. Unter anderem für die Sendung „Menschen bei Maischberger“.

In „Becks letzter Sommer“ geht es um einen liebeskranken Lehrer, der von einem verrückten Sommer erzählt. Seine Begleiter sind ein ausgeflippter, riesiger Deutsch-Afrikaner und ein musikalisches Wunderkind aus Litauen, das er groß rausbringen möchte. Sie sind auf dem Trip ihres Lebens, auf dem Weg von München durch Osteuropa nach Istanbul. Dabei begegnet Beck immer wieder einen alterndern Rockstar und dessen unsterbliche Songs.

Der Debütroman von Benedict Wells ist ein Roman über die Musik, die Liebe und das Leben. Aber auch vor allem über das Erwachsenwerden, das Menschen der Jahrgänge 1970 bis 1980 scheinbar besonders schwer fällt. Aber nicht nur deswegen kann man sich damit gut identifizieren. Dieses Buch handelt davon, dass man etwas Besonderes erreichen möchte. Dass man seine Jugendträume als Erwachsener leben möchte. Oder im Alltagssumpf untergeht. Wer will das schon? Und trotzdem sieht es oft so aus, als hätten die meisten den Kampf aufgegeben…

Nochmals zurück zum Oktober 2008. Freitagabend auf der Party der Independent-Verlage im Kunstverein Lola Montez. Ich stehe eine halbe Stunde in der Nähe von Benedict Wells und bewundere ihn. Doch ich schaffe es nicht, ihn anzusprechen. Doch er langweilt sich genauso wie ich. Das ist nicht nur klar sichtbar, obwohl er sich bemüht nett mit den umstehenden Menschen redet und sie anlächelt. Sondern auch weil er einen Buchmesse-Blog betreibt, in dem er am nächsten Tag schreibt, dass offensichtlich die Buchmesse-Verhandlungen vom Tag weitergeführt wurden. Nur eine Handvoll Menschen, die allesamt über mich gestolpert sind, und ich selbst gaben alles, um die Party zu rocken. Nun ja. Von Benedict Wells wurde es nicht bemerkt.

Wieso Benedict Wells bei Radiosub? In „Becks letzter Sommer“ kam das Thema Homosexualität nicht vor. Anders ist es jedoch bei seinem zweiten Roman „Spinner“, den Benedict Wells mit zwanzig Jahren begann zu schreiben. Ist doch der beste Freund des „Spinners“ Jesper Lier homosexuell. Ansonsten ist Gustav ähnlich konstruiert wie der Riese in seinem ersten Roman.

Jesper Lier, 20, ist voller Erwartungen nach Berlin gekommen: Er hofft auf ein aufregendes Leben in der Stadt der Verheißungen und auf einen fulminanten Start als Schriftsteller. Stattdessen haust er in einem Kellerloch am Prenzlauerberg. Sein Roman ›Der Leidensgenosse‹ ist zu einem Monstrum angeschwollen. Und seine Aversion gegen die Gesellschaft und die sich selbst feiernde Stadt hat ihn zum Einzelgänger gemacht. Er erlebt eine turbulente Woche und eine wilde Odyssee durch das neue Berlin. Ein tragikomischer Roman über die Angst, wirklich die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und auch hier geht es wieder um das Erwachsenwerden. Und die Identitätsfindung.

Es ist nicht legitim, einen Autor nach seinem Autor oder nach seiner Jugend zu beurteilen. Aber er weckte mein Interesse. Und zwar zurecht. Jede Generation braucht ihr eigenes Buch über das Erwachsenwerden, sagt die Pressestelle des Schweizerischen Verlags Diogenes. Meiner Ansicht nach trifft es tatsächlich zu. Es ist originell, witzig, sensibel und sehr unterhaltsam geschrieben. Unterhaltungsliteratur? Vielleicht sagt dies der eine oder andere ernsthafte Kritiker. Nur ist nichts dagegen zu sagen, einen humorvollen Roman über Alltagsproblemchen zu schreiben, der einem einen Mehrwert bringt. Und das tut er. Das Buch ist die ideale Lektüre für den Großstadtmenschen, der in den öffentlichen Verkehrsmitteln gerne eine Lektüre dabei hat. Oder der im Park sitzend, die Sonne genießend in einem Roman schmökert.

Jesper vereinsamt beim Schreiben seines Romans. Doch er wird aus dieser Einsamkeit gerissen. Und zwar vom schon erwähnten Gustav, einem mondänen Gutelaunemenschen, der Mann und Frau becirct. Ganz im Gegenteil dazu der Jugendfreund Jespers mit dem Namen Frank, der von ihnen aus dem Familienkäfig befreit wird. Und welcher ungeahnterweise ähnliche Neigungen wie Gustav hat.

Jesper zu begleiten, mit all seinen Eigenheiten und Fehlern, macht großen Spaß. Die Diskussionen, die Gustav mit ihm führt, kennen wir auch alle, umso witziger ist es, sie in diesem Buch nachzulesen. Ich möchte euch gerne diesen Roman empfehlen.

„Spinner“ von Benedict Wells ist am 17.9. 2009 beim feinen Diogenes Verlag erschienen. Es umfasst 308 Seiten und ist im Fachhandel für 19,90 Euro zu beziehen. „Becks letzter Sommer“ umfasst 464 Seiten und ist für den gleichen Preis erhältlich.

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