Wie soll ich dieses Buch rezensieren?
„Warum dreht sich die Erde einmal pro Tag?
Ist mein Lügengebilde ein Meisterwerk an Innovation und Statik?
Bin ich der Schlafsack meiner Seele?
Gehen Gemütlichkeit und Eleganz getrennte Wege?
Ist meine Unentschlossenheit die schönste Erfahrung meines freien Willens?“
Die letzten fünf Fragen stammen aus dem Buch „Findet mich das Glück?“ vom schweizerischen Künstlerduo Fischli & Weiss. Die Heldin Lisa zitiert es allenthalben in diesem Roman.
„Abbringen,
Omas Lavendel
Verstopft meine Poren.
Liebe und andere Trivialitäten
Ausflaggen.“
Dieses Elfchen hat Elias, Lisas Bruder ihr gedichtet, um ihr eine wichtige Nachricht zu übermitteln. So wie sie das immer tun.
Und dann ist da noch Sudden Smith, eine kleine Holzfigur, die Lisa bereits seit 14 Jahren besitzt. Die gerne gehässig über die Malheurs ihrer Besitzerin lacht und altkluge Kommentare ablässt.
Doch worum geht es in dem Roman?
Lisa flüchtet aus ihrem Leben. Sie zieht nach Australien, genauer gesagt nach Sydney, zum Ex-Freund ihres Bruders Elias. Sie arbeitet in einem kleinen Café als Kellnerin. Großes Talent hat sie dafür nicht, Spaß macht es ihr auch nicht. Überhaupt ist das Leben nur anstrengend. Und nur mit Alkohol und Drogen zu ertragen. Und mit Sex. Sie ist Fotografin. Fotografiert aber nicht mehr. Wieso? Grund sind die sechs Filmdosen in ihrer Tasche. Die sie überallhin trägt. Aufnahmen von B. Doch was hat es mit B auf sich? Man erfährt es erst im Laufe der Geschichte. Erst muss Lisa eine Fotografie auf der Straße finden, auf der sie zu sehen ist. Sie selbst? Das kann doch nicht sein. Sie ist seit Kurzem in Australien. Und wo ist das Bistro, in dem das Bild geschossen wurde? Und wer sind die Leute? Wer ist diese Person, die wie Lisa aussieht?
„Auf dem Sofa küsste Nick mich wieder. Ich war so nervös, dass ich sogar mit Akzent küsste, mein förmliches Schulenglisch war mir in die Lippen eingebrannt, und ich suchte angestrengt nach Worten, bis mir wieder einfiel, dass ich gerade küsste und nicht sprach. Wir küssten so ratlos wie zwei, die das Küssen nachahmen, einer blassen Erinnerung nachstöbern.“
Diese Stelle ist nur eine der vielen, in der Svealena Kutschke ihre Sprachgewandtheit zeigt. Der Debütroman gefällt. Nicht nur die Sprache, nicht nur die kleinen Ideen. Zum Beispiel ihre ständigen Vokabelübungen aus dem Englischen ins Deutsche, die witzig anmuten, und nicht nerven. Nein, schön ist auch, wie Geschlechterrollen verwischen. Die Bilder, die sie dazu konstruiert, sind immer authentisch und präzise. Wenn im Outback Mora trotzdem Kleider auf ihre elegante Weise trägt, während ihre Bart- und ihre Beinhaare wild wachsen. Lisa hat plötzlich Lust, wieder zu fotografieren. Mora zu fotografieren. Und im Outback wird dann plötzlich klar, was es mit ihrer Liebe zu B auf sich hat, was passiert ist. Was sie verdrängen möchte.
Wann ist ein Buch gelungen?
Wenn man es gerne bis zum Ende durchliest. Wenn man bedauert, dass es nicht weitergeht. Wenn es einen nachhaltig prägt. Wenn man noch nach Tagen oder gar Wochen darüber nachdenkt.
So ein Buch ist ETWAS KLEINES GUT VERSIEGELN von Svealena Kutschke, das im Wallstein Verlag erschienen ist. Es ist im Hardcover für 19 Euro erhältlich. Es umfasst 240 Seiten und auf http://www.wallstein-verlag.de/Leseprobe%20Kutschke.pdf ist eine Leseprobe eingestellt.