Bärensommer von Rolf Redlin

Die erste Erkenntnis, die auch ein Fazit ist, steht am Anfang: Man muss keine frühreifen Mädchen anziehend finden, um Vladimir Nabokovs „Lolita“ lesend zu verschlingen, aber man muss ein Bären-Fan sein, um dieses Buch „Bärensommer“ zu mögen. Übrigens meint er damit nicht die tierischen Bären und ich meine nicht das Buch „Bärensommer“ von Theresa Hay, das sie 2003 veröffentlicht hat, und dass sich eben um die Tiere dreht. Die sich übrigens in einem Online-Shop über seine Titelwahl ärgert – aber das nur als kleine Anekdote am Rande.

Bastian ist Mitte zwanzig und ein Chemie-Student, der von einem Kerl mit behaarter Wampe träumt. In einer plötzlichen Eingebung kommt ihm die Idee, in den Ferien im Deichbau zu jobben. Dort könnte er vielleicht einen „Bären einfangen“, denkt er sich. Und kaum ist er da, duscht in der Gemeinschaftsdusche und trifft dort auf einen Bären, der von ihm rasiert werden möchte. Ja, Wilfried heißt dieser Mann und ist Steinsetzermeister, sein Chef auf dem Bau und fast doppelt so alt. Es funkt, doch die Gegensätze sind enorm: Wilfried begreift, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört, er möchte den Alltagstrott mit seinem EX hinter sich lassen. Er sehnt sich nach Action, während Bastian sich am Ziel aller Wünsche wähnt und nur noch traute Zweisamkeit möchte.

Der letzte Punkt in der Inhaltsbeschreibung soll anzeigen, dass Rolf Redlin versucht, Klischees gegen den Strich zu kämmen. Er dreht einfach die üblichen Rollen um, lässt den Alten draufgängerisch sein und den Jungen auf Beziehung machen. Das mag es geben, genauso wie es junge Männer gibt, die auf Haare, eine dicke Wampe und Bauarbeiter-Outfits stehen. Aber dass dann plötzlich alle auf so einen ollen Bären stehen, egal, ob Architektur-Student oder knackiger Sport-Student, und der Basti mit dessen Freunden betrügt… Das nehme ich diesem Buch nicht ab. Es gibt wahrlich noch sehr viel mehr, was man dem Buch nicht abnehmen mag. Handlungen und Verhaltensweisen werden meist nicht erklärt, und wenn, dann wirklich auf die platteste Art. Das ist natürlich für diejenigen gut, die Fast-Food-Bücher lesen, die man so zwischendurch in der Bahn kurz aufschlagen, darin blättern, und dann wieder wegpacken kann, wenn man aussteigt. Für Menschen, die reflektieren, die eine Tiefe suchen, ist das alles nichts.

Muss ja nicht. Dieses Buch ist kein tiefsinniges Buch, nichts Anspruchsvolles. Es ist eine langgezogene Kolumne oder Glosse über eine bestimmte Schwulen-Szene mit ein paar Porno-Einsprengseln und Exkursen in die Welt der Chemie. Das wird einigen gefallen. Umso mehr, wenn sie selbst auf Bären stehen bzw. Bären sind, die auf Jungen stehen…

Bärensommer von Rolf Redlin ist 2011 im Männerschwarm Verlag erschienen, umfasst 208 Seiten und ist für 17 Euro im Fachhandel erhältlich.

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