House of Boys von Jean-Claude Schlim

Betrachtet man das DVD-Cover des Films „House of Boys“ des Luxemburger Regisseurs Jean-Claude Schlim, dann bekommt man einen ganz guten Vorgeschmack auf das, was man sehen wird. Einen Film nämlich, der nicht so ganz weiß, welches Genre er sein möchte und in welche Richtung er gehen soll. Die Geschichte, die in 1984 spielt, ist einfach erzählt: Ein letzebuergischer Junge namens Frank hat sein miefiges Leben satt. Er wird von den anderen Jungen wegen seines Schwulseins angefeindet, seine Eltern verstehen ihn nicht. So entscheidet er sich nach dem Abschluss nach Amsterdam zu flüchten. Seine Begleiterin setzt sich mit ihrem Boyfriend sehr bald ab und so sucht er ein neues Zuhause. Und findet es bei der exzentrischen Madame im House of Boys. Einem Nachtlokal im Herzen der Gayszene Amsterdams. Dort taucht er als Tänzer und Stripper in eine ganz neue Welt ein. In eine aufregende Welt, in der es um Sex, Klischees, schwule Musik und eine neue Krankheit geht, die als „Schwulen-Pest“ bekannt wird. Namhafte Akteure des queeren Lebens stellen Protagonisten dar, insbesondere Stephen Fry und Udo Kier, der die Madame spielt, aber auch Dschungelkönig Ross Antony. Die Hauptrolle spielt der bisher unbekannte Layke Anderson.

Der Film „House of Boys“ aus dem Jahr 2010 ist nicht leicht zu rezensieren. Einerseits spürt man den guten Willen, der hinter dem Film steckt, nämlich das Thema AIDS wieder etwas in den Vordergrund zu stellen. Die Aufklärung und den wichtigen Umgang mit dieser Krankheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Man denke an das Jubiläum der AIDS-Hilfe in Frankfurt: 25 Jahre – und das Thema ist aktueller denn je. Andererseits erinnert der Film die meiste Zeit abwechselnd an den völlig missratenen Film „Burlesque“ mit Cher und Christina Aguilera und den Kino-Hit „Philadelphia“ von Jonathan Demme. „House of Boys“ ist genauso platt und klischeehaft wie „Burlesque“ und genauso überholt wie „Philadelphia“, der für die damalige Zeit sehr wichtig und gut war.

Die Figuren sind wenig glaubhaft: Sowohl Layke Anderson, der immer wie ein verschrecktes Reh in die Kamera schaut, als auch die Rolle von Benn Northover, der einen heterosexuellen Stripper in einem schwulen Nachtlokal spielt. Er hat nicht nur eine Freundin, die ein Kind von ihm bekommt, er prostituiert sich sogar. Die Männer müssen nur genug hinlegen, damit er seinen Allerwertesten… Nun gut. Aber es kommt noch besser. Plötzlich kommt er mit dem kleinen in ihn verliebten Frank zusammen, gesteht ihm, dass er das erste Mal einen Mann küsst. Und dann beginnen schwülstige Dialoge, für die man das Drehbuchteam um Jean-Claude Schlim wirklich nicht beglückwünschen möchte. Und die Sex-Szenen? Ich kann mir vorstellen, dass es so manchem nicht schwulen Zuschauer vielleicht etwas zu viel ist.

„House of Boys“ ist trashig, wo er gerne künstlerisch sein möchte. Er ist pädagogisch und altbacken, wo er aufklärerisch und wichtig sein möchte. Er ist zu pornös, um als Aufklärungsfilm zu dienen, er ist zu flach, um als Kunstfilm in die Reihen der Arthaus-Filme aufgenommen zu werden. Und trotzdem möchte ich den geneigten Zuhörer_innen empfehlen, diesen Film der FILMLICHTER GmbH, der von Lighthouse Home Entertainment vertrieben wird, zu erstehen. Alleine, um mit mir darüber zu diskutieren. Vielleicht sehen es Zuschauer_innen aus anderen Generationen ja anders…

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