Bullenbeißer von Rolf Redlin

 

Ein Jahr nach dem Romandebüt „Bodycheck“, in dem die Hauptfigur ein LKW-Fahrer mit einem Kampfgewicht von einhundert Kilogramm die Hauptperson war, erscheint Anfang 2010 der neue Roman von Rolf Redlin. In „Bullenbeißer“ geht es erneut um starke Männer, um das Raufen und um viele PS.

Der heterosexuelle Polizist Lars Brentrup gerät durch seinen Fitness-Studio-Kumpel Gerd, von dem er nicht einmal weiß, dass er schwul ist, in eine ganz neue Welt. Gerd hatte ihm einen Zettel mit einer merkwürdigen Ziffernfolge zugesteckt, „falls ich mich bis morgen bei dir nicht melde“. Und das tut er nicht, denn er ist tot. Die Hamburger Polizei, in deren Distrikt dieser Mord begangen wurde, tappt im Dunkeln. Doch Lars Brentrup wäre kein richtiger Polizist, wenn er dieser Sache nicht nachgehen würde, und so wird der Düsseldorfer Undercover in die Hamburger Ringerszene geschleust. Dabei lernt er nicht nur ein dubioses Filmstudio und dessen Betreiber kennen, sondern auch zwei Männer, die ihm letztendlich das Leben retten.

Zunächst ist Lars Brentrup ein Mann, der seiner Frau nachtrauert, die ihn zwei Jahre zuvor verlassen hatte. Er wohnt in einer kleinen Bude, macht seinen Job, trainiert im Fitness-Studio. Über seinen Trainingspartner Gerd macht er sich keine Gedanken. Erst als er weg ist, wird er von anderen Mitgliedern des Studios darauf aufmerksam gemacht. Man glaubt, dass er ebenso schwul sei. Nach dem Verschwinden seines Trainingspartners möchte er dieser Ziffernfolge auf den Grund gehen. Schnell findet er heraus, dass dies GPS-Koordinaten sind. Ihm schwant bald, dass Gerd ein Raufduell ausgemacht hatte, dass er nicht lebend überstanden hat.

Lars forscht also mit Hilfe von Gayromeo nach und schon bald findet er Zutritt zu dieser Szene. Er wird zu einem Wochenende eingeladen, in dem er auftrumpfen kann: Er gewinnt nicht nur den Armdrück-Wettbewerb, sondern begeistert als muskulöses Frischfleisch die schwulen Kumpane. Vor allem einem hat er es angetan, dem Hamburger Flo. Der hilft ihm dann in Hamburg, weiter in die Szene einzudringen, als die Hamburger Polizei auf die Idee kommt, Lars als Undercover einzusetzen.

Der Kriminalroman ist zwar spannend geschrieben, aber man muss sich schon für schnelle Motorräder, fürs Ringen und für Polizisten interessieren, sonst kann es rasch langweilig werden. Der Autor möchte vermutlich Klischees entgegenwirken, zum Beispiel das von den femininen schwulen Männern, die sich nicht für Sport interessieren und schwach wie eine gewöhnliche Frau sind. Doch genau damit rutscht er in neue Klischees und Fantasien von manchen schwulen Männern, die sich vermutlich bei jedem Polizisten, der einen durchtrainierten Körper hat, im Kopf ausmalen, wie es wäre von demjenigen unterworfen zu werden.

Es erscheint eher unglaubwürdig, dass ein Mann, der sich seit der Pubertät sicher über seine Heterosexualität wähnt und seiner Ex-Frau nachtrauert, mir nichts dir nichts zu sexuellen Handlungen mit anderen Männern hinreißen lässt. Er macht sich da kaum Gedanken, tut es einfach und danach äußert er sich darüber, als wäre es so, als ob er das erste Mal einen neuen Cocktail probiert hätte. Bestimmte Sexualpraktiken fallen schon Menschen schwer, die wissen, dass sie schwul sind, und dieser Polizist spielt in Nullkommanichts in Pornofilmen mit, in denen er professionell agiert. Vielleicht macht dies den einen oder anderen Leser an und er schaut darüber hinweg, dass dies unglaubwürdig ist, so unglaubwürdig wie die ganze Geschichte mit der Hamburger Polizei und diesem Undercover-Job.

Vielleicht findet der eine oder andere die vermeintliche Liebesgeschichte zwischen Flo und Lars interessant, oder dass Orkan, der Pornofilm-Partner von Lars, Gefühle für den Polizisten entdeckt. Vielleicht findet der eine oder andere die Komponente des „Snuff-Films“ interessant, die Thema des Romans ist. Zur Erklärung: Snuff-Filme oder kurz Snuff wird die filmische Aufzeichnung eines Mordes, der zum Zweck der Unterhaltung des Zuschauers in kommerzieller Absicht begangen wurde, bezeichnet. Der Zweck des Mordes selbst ist also seine Aufzeichnung. Der Autor dieser Rezension ist da eher zwiespältig: einhundert  Seiten weniger Text und weniger Klischees wären diesem Werk durchaus gut bekommen.

„Bullenbeißer“ von Rolf Redlin ist 2010 im Männerschwarm Verlag in Hamburg erschienen. Es umfasst 264 Seiten und ist für 14 Euro im Fachhandel erhältlich.

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