„Benjamins Gärten“ von Jana Walther

„Benjamins Gärten“ von Jana Walther ist ein besonderes Buch. Und damit meine ich nicht die Tatsache, dass eine Frau über eine schwule Liebe schreibt. Sondern sehr viel mehr deswegen, weil es mit seinen knapp 150 Seiten ein dünnes Buch ist. Ganz entgegen des Trends, der zurzeit vorherrscht: dicke Schinken werden gelesen, wenn überhaupt.

Benjamin erlebt einen Stillstand. Nachdem seine Eltern verstorben sind, lebt er alleine in seinem Elternhaus, irgendwo in der ostdeutschen Provinz. Er weiß nicht, was er mit seinem Leben anfangen soll, lässt sich treiben, wartet. Aber worauf? Auf Marek, der plötzlich in sein Leben eindringt, als der die leer stehende Villa in Benjamins Nachbarschaft kauft? Wohl eher nicht. Und doch verändert dieser Berliner, der Häuser ersteht, um sie aufzumöbeln und dann zu verkaufen, das Leben des Neunzehnjährigen. Doch wird dieser aus seiner Idylle, aus seinem Kokon aus Erinnerungen herausgerissen?

Dieser kurze Roman erzählt eine Liebesgeschichte. Ja, nun, könnte man sagen. So what! Wie oft wurde eine Liebe erzählt? Wie oft eine Liebe zwischen einem Jungen und einem Mann, der weiß, wo es lang geht. Und doch! Es ist kein Buch, bei dem man das Gefühl hat, es schon einmal gelesen zu haben. Es ist niemals gefühlsduselig, niemals kitschig. Es lebt nicht von Klischees. Und doch werden ganz übliche Themen angesprochen. Das Coming-Out, Schwul sein in der Provinz und nicht öffentlich seine Liebe zeigen und eine schwule Beziehung führen.

Jana Walther zeigt sehr viel Feingefühl, wenn es um ihre Figuren geht. Sie hält ihre eigenen Figuren aus, und durch. Viel besser übrigens als der Rezensent, der sich manchmal dachte: Benjamin, mach jetzt! Sag was! Tu was! Ja, das möchte man der Hauptfigur gerne sagen. Ein ums andere Mal verliert man die Hoffnung auf ein gutes Ende. Um am Ende eines Besseren belehrt zu werden.

Es ist kein großer Roman – das Werk von Jana Walther, das im kleinen Debüt Verlag 2010 erschienen ist. Er umfasst knapp 150 Seiten und ist für 9,90 Euro über die Verlagsseite des Debüt Verlages, aber natürlich auch im Fachhandel erhältlich.

 

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Als Jonathan starb von Tony Duvert

„Als Jonathan starb“ von Tony Duvert ist eine sehr schwierige Angelegenheit. Joachim Bartholomae hat diesen Roman aus dem Französischen neu übersetzt und teilweise neu redigiert. Er war bereits 1978 ein Skandal und man kann sich fragen, ob er 2011 weniger skandalös ist angesichts der Ereignisse um die Odenwaldschule im letzten Jahr. Man kann auch die Frage stellen, ob eine unkritische Ausgabe vom Männerschwarm Verlag eine feinfühlige Sache ist. Es lässt sich bereits erahnen, welche Thematik in diesem Roman die wichtigste Rolle spielt: Pädophilie. Die Hauptfiguren sind der zu Anfang des Buches fünfundzwanzigjährige Künstler Jonathan, der sich in einem Domizil in der Provinz Frankreichs eingerichtet hat, und Serge, der sechsjährige Sohn einer Bekannten. Schon bei ihrem ersten Zusammenkommen in Paris bemerkt die Mutter Barbara, dass ein inniges Verhältnis zwischen ihnen aufkeimt. Sie verbietet den Kontakt, um sich dann zwei Jahre später bei Jonathan zu melden und ihn darum zu bitten, Serge eine Weile bei sich aufzunehmen. Aus der einen angekündigten Woche werden zwei Monate, in denen sich Barbara hippiemäßig auslebt, während Jonathan und Serge miteinander essen, spielen und nicht nur in einem Bett schlafen, sondern auch „Sex miteinander haben“. Sie führen quasi eine Beziehung. Die Mutter nimmt ihn wieder mit. Für Jonathan beginnt die schlimmste Phase seines Lebens, er verzehrt sich nach dem Jungen. Wieder zwei Jahre später erleben die beiden Protagonisten wieder eine solche Phase, in der sie eine „Beziehung“ führen. Doch erneut wird der Junge gegen seinen Willen zurückgeholt. Er möchte wieder zu seinem Jonathan zurück und büxt von zuhause aus, doch wird er jemals bei Jonathan ankommen?

Just vor zwei Tagen schockte mich eine Bekannte mit einer Bemerkung über sexuellen Missbrauch bei Jungen: Sie glaube nicht daran, sie habe noch nie einen missbrauchten Mann kennengelernt. Sie halte sich an die Antike, an die dort beschriebene Knabenliebe – die philosophisch erhöht wurde. Auch Tony Duvert tut dies. Ein Mann, der in einer biografischen Schrift 1980 zugab, mit mehr als Tausend Jungen ab sechs Jahren sexuellen Kontakt gehabt zu haben. Natürlich sollte man Werk und Autor stets auseinanderhalten und vielleicht hatte dieses Buch auf irgendeine Weise seine Berechtigung in den Siebzigern. Der Zeit der sexuellen Befreiung, der Zeit, in der Kinder mehr Freiheiten bekommen sollten, nicht mehr mit Zwang und Autorität erzogen werden sollten. Da wird jeder und jede mit einverstanden sein.

 

Aber eine „Liebe“ zu einem Sechsjährigen? Diesen Jungen auch noch als denjenigen zu charakterisieren, der damit „angefangen hat“? Sind das nicht die Argumente der Päderasten: Der Junge wollte das doch? Ist das nicht etwas pervers hinsichtlich der Ereignisse der letzten Jahre, hier in Hessen an der Odenwaldschule?

 

Ich stelle nur Fragen. Ich bin für absolute Tabulosigkeit in der Literatur, so habe ich auch diesen Roman möglichst unbefangen (so weit das geht) gelesen. Stilistisch ist das Werk meisterlich, Tony Duvert ist ein vorzüglicher Autor. Die Stellen, in denen Tony Duvert von der Sehnsucht Jonathans schreibt, sind die eindringlichsten Stellen über Liebeskummer, die ich seit langer Zeit gelesen habe. Die Darstellung der Beziehung ist so fein, wie ich es seit Andre Acimans „Ruf mich bei deinem Namen“ nicht gelesen habe. Doch eine Penetration eines Achtjährigen zu beschreiben… das ist schon harter Tobak, muss ich sagen. Ich hätte Schwierigkeiten damit, es Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu empfehlen…

 

Es möge jeder und jede selbst entscheiden, ob uns ein solcher Roman gefehlt hat, der auf jeden Fall die Pädophilie verherrlicht. „Als Jonathan starb“ von Tony Duvert ist 2011 von Joachim Bartholomae nach einer Vorlage von François Pescatore neu übersetzt und redigiert im Männerschwarm Verlag erschienen, umfasst 224 Seiten und ist im Fachhandel in einer gebundenen Ausgabe für 19 Euro erhältlich.

 

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Schmutziger Mord von Olive Feuerbach

Wer hat den vermeintlich biederen Rentner Otto Korbach in seinem gutbürgerlichen Stadtteil in Baden-Württembergs Hauptstadt Stuttgart bestialisch umgebracht? Vor diese Frage wird die sympathische und resolute Kommissarin Corinna „Coco“ Conradt gestellt. So kalt wie das Umfeld des Toten ist – er hat keinen Kontakt mehr zu seinen beiden Kindern, die ihn hassen, er hatte sich von seiner Frau scheiden lassen, als sie in die geschlossene psychiatrische Einrichtung eingewiesen wurde – so kalt ist auch das Wetter. Die Polizei tappt die ganze Zeit im Dunkeln, während sich immer wieder neue Hypothesen, neue Handlungsstränge finden, die allesamt nicht überzeugend sind.

Coco treibt sich in Freibädern herum, in psychiatrischen Anstalten und in Berliner Kaschemmen, in denen sie neue Spielarten der lesbischen Liebe kennenlernt. Gemeinsam mit ihrer Partnerin Judith. Coco ist voller Zweifel an ihrer kriminalistischen Arbeit, denkt über ihre Beziehung, über Sex und Liebe überhaupt. Sie ist eine Genießerin und sehr neugierig. Und trifft auf ganz spannende Menschen, zum Beispiel einen Professoren namens Schlatter, der die Frau des Ermordeten seelsorgerisch betreut. Sie hat auch mit der „Firma“, mit dem „Konzern“ zu tun, bei dem Korbach einst tätig in einem Werk in Argentinien war… Selbst der Polizeipräsident wird aufgescheucht und warnt die genervte Kommissarin…

Olive Feuerbachs zweiter im konkursbuch Verlag Claudia Gehrke erschienene Kriminalroman ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend. Er spielt zwar im kalten Winter, ist aber die optimale Strandlektüre für diesen Sommer. Die Autorin schafft es tatsächlich, in allen Milieus, in denen sich ihre Figuren bewegen, authentisch zu beschreiben, man spürt die Atmosphäre, die von diesen Orten ausgehen, förmlich. Die Dialoge sind niemals platt, im Gegenteil, gerade gegen Ende des Buchs sagen die Figuren einige sehr kluge Dinge.

Coco wird mit jeder Seite sympathischer, gerade weil sie nicht diese angepasste, „professionelle“ Kommissarin ist, gerade weil sie ganz schnell warm wird mit bestimmten Figuren in diesem Roman. Insbesondere mit älteren Herren und attraktiven Frauen in den Dreißigern kommt sie ganz gut aus. 

Schön ist auch der Querverweis auf ihre beiden anderen Bücher, die im Verlag erschienen sind, der am Ende des Buches auftaucht…

Also, 9,90 Euro sind wirklich gut investiertes Geld für den Roman „Schmutziger Mord“ von Olive Feuerbach, der im konkursbuch Verlag Claudia Gehrke. Er umfasst 287 Seiten und ist im März 2011 erschienen. 

 

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Bärensommer von Rolf Redlin

Die erste Erkenntnis, die auch ein Fazit ist, steht am Anfang: Man muss keine frühreifen Mädchen anziehend finden, um Vladimir Nabokovs „Lolita“ lesend zu verschlingen, aber man muss ein Bären-Fan sein, um dieses Buch „Bärensommer“ zu mögen. Übrigens meint er damit nicht die tierischen Bären und ich meine nicht das Buch „Bärensommer“ von Theresa Hay, das sie 2003 veröffentlicht hat, und dass sich eben um die Tiere dreht. Die sich übrigens in einem Online-Shop über seine Titelwahl ärgert – aber das nur als kleine Anekdote am Rande.

Bastian ist Mitte zwanzig und ein Chemie-Student, der von einem Kerl mit behaarter Wampe träumt. In einer plötzlichen Eingebung kommt ihm die Idee, in den Ferien im Deichbau zu jobben. Dort könnte er vielleicht einen „Bären einfangen“, denkt er sich. Und kaum ist er da, duscht in der Gemeinschaftsdusche und trifft dort auf einen Bären, der von ihm rasiert werden möchte. Ja, Wilfried heißt dieser Mann und ist Steinsetzermeister, sein Chef auf dem Bau und fast doppelt so alt. Es funkt, doch die Gegensätze sind enorm: Wilfried begreift, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört, er möchte den Alltagstrott mit seinem EX hinter sich lassen. Er sehnt sich nach Action, während Bastian sich am Ziel aller Wünsche wähnt und nur noch traute Zweisamkeit möchte.

Der letzte Punkt in der Inhaltsbeschreibung soll anzeigen, dass Rolf Redlin versucht, Klischees gegen den Strich zu kämmen. Er dreht einfach die üblichen Rollen um, lässt den Alten draufgängerisch sein und den Jungen auf Beziehung machen. Das mag es geben, genauso wie es junge Männer gibt, die auf Haare, eine dicke Wampe und Bauarbeiter-Outfits stehen. Aber dass dann plötzlich alle auf so einen ollen Bären stehen, egal, ob Architektur-Student oder knackiger Sport-Student, und der Basti mit dessen Freunden betrügt… Das nehme ich diesem Buch nicht ab. Es gibt wahrlich noch sehr viel mehr, was man dem Buch nicht abnehmen mag. Handlungen und Verhaltensweisen werden meist nicht erklärt, und wenn, dann wirklich auf die platteste Art. Das ist natürlich für diejenigen gut, die Fast-Food-Bücher lesen, die man so zwischendurch in der Bahn kurz aufschlagen, darin blättern, und dann wieder wegpacken kann, wenn man aussteigt. Für Menschen, die reflektieren, die eine Tiefe suchen, ist das alles nichts.

Muss ja nicht. Dieses Buch ist kein tiefsinniges Buch, nichts Anspruchsvolles. Es ist eine langgezogene Kolumne oder Glosse über eine bestimmte Schwulen-Szene mit ein paar Porno-Einsprengseln und Exkursen in die Welt der Chemie. Das wird einigen gefallen. Umso mehr, wenn sie selbst auf Bären stehen bzw. Bären sind, die auf Jungen stehen…

Bärensommer von Rolf Redlin ist 2011 im Männerschwarm Verlag erschienen, umfasst 208 Seiten und ist für 17 Euro im Fachhandel erhältlich.

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