Die Testcard wird vom in Mainz ansässigen Ventil Verlag herausgegeben. Hauptverantwortlicher ist Martin Büsser, der die Herausgabe und Redaktion koordiniert. Ihm zur Seite stehen Roger Behrens, Jonas Engelmann, Atlanta Athens und Johannes Ullmaier. Jede Ausgabe widmet sich einem bestimmten Thema. Die letzte # 18 zum Beispiel: Regress. Motto: »testcard« reagiert auf den reaktionären Wandel unserer Gesellschaft – polemisch, analytisch, kämpferisch, aber nicht resigniert… Frühere Ausgaben beschäftigten sich mit Black Music, Linken Mythen, Gender – Geschlechterverhältnissen im Pop, Pop-Texte, Pop und Literatur oder Retrophänomene in den 90ern.
Nach einem einleitenden Editorial gibt es in jeder Ausgabe kleine Essays, die aus verschiedenen Perspektiven die angesprochene Thematik beleuchten. Am Ende der Zeitschrift befindet sich jedoch auch ein sehr umfangreicher und kenntnisreich geschriebener Rezensions-Teil, in dem Tonträger, Bücher und DVDs besprochen werden. Allesamt eher aus dem linken alternativen Spektrum, immer jedoch sehr interessant.
Ausgabe # 17 beschäftigt sich mit dem Thema Sex. Die Intention dahinter liegt in der Erkenntnis, dass in der linken Szene über Sex nicht geschrieben wird. Linker Sex in den 90ern? Er scheint nicht existent zu sein. Doch danach gibt es einen Wandel, der vor allem mit den Gender und Queer Studies zu tun hat. In den Universitäten heiß diskutiert, fanden diese Themen plötzlich Einzug in den Alltag. In dieser testcard möchte man Denkimpulse anregen, die der linken und queeren Community Alternativen zu gängigen Schönheits- und Sexvorstellungen bieten.
Georg Seeßlen zum Beispiel stellt in dem Artikel DIE NACKTEN WILDEN DES KAPITALS zehn Ungebote von Sexualität und Marktwirtschaft auf. Mile Laufenberg schreibt über THE TROUBLE WITH NATURE, d.h. über homosexuelle Körper und das Dilemma der Identitätspolitik. Die Homosexualität, so stellt er fest, sei Schauplatz von politischen, moralischen und religiösen Auseinandersetzungen, Gegensatdn von pädagogischen Programmen und wissenschaftlichen Studien, ökonomische Ressource, Quelle für kollektive Identitäten sowie Framing für Praktiken körperliche rund symbolischer Gewalt. Kurzum, so sagt er, ist unsere Gegenwart besessen von der Figur des Homosexuellen. Im Artikel geht er zunächst auf die Erklärungen von Homosexualität und wie Homosexuelle mit diesen Theorien umgehen, und wie sie sich in der Gesellschaft versuchen zu etablieren.In einem Artikel von Projekt L wird das Projekt (anti)lookism anhand von Shrek und Tokio Hotel erläutert.
Jens Thomas beschäftigt sich mit Homophobie im deutschen Hip-Hop, nach dem Motto: Ich bin nicht schwul, und das ist auch cool so. Darin weist er nach, dass wenn die Homophobie auch geringfügig nachlasse, gerade bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund vermehrt schwulenfeindliche Äußerungen vernommen werden. Die Entgleisungen im Hiph-Hop, so sagt er, sind Teil einer Unterhaltungsindustrie geworden, und meint damit nicht nur die Schwulen-, sondern auch die Frauenfeindlichkeit. So schreibt er über Mario Barth, dass dies für die einen ein Festival der Kalauer sei, für die anderen jedoch spaßig konnotierte sexuelle Belästigung. Er zitiert die Linguistin Helga Kotthoff, die als Kennzeichen dieser spaßigen sexuellen Belästigung das Zurückziehen des Belästiger sei, der dann sage: Ich habe doch nur einen Scherz gemacht.
Atlanta Athens schreibt in ihrem Artikel WIE WAR DEIN BESTER ORGASMUS? über den Film „Shortbus“ und wie darin dazu aufgerufen werde, sexuelle Verhandlungsräume zu erweitern. Simon Dickel schreibt in BLACK MEN LOVING BLACK MEN AND OTHER REVOLUTIONARY ACTS über Positionen zu Begehren und Sexualität in schwarzer schwuler Kultur. Der Porno-Star Michael Lucas redet in einem Interview mit Tjark Kunstreich über Europa, Israel, Amerika und die Schwulen. Kerstin Stakemeier referiert in COME über Möglichkeiten eines wirklich geilen Pornos, und meint damit Pornos für die Frau. Martin Büsser schreibt in FOR YOUR PLEASURE Fragmente einer Porno-Komparatistik. Während Katja Peglow das JUNGSHEFT vorstellt, welches Pornografische Fotos vom Indie-Boy bzw. Indie-Mann von nebenan abbildet. Und das die linke Sexualität ein bisschen auffrischen möchte.
Im Rezensionsteil werden zum Beispiel die CD Good Arrows von TUNGG, Diedrich Diederichsens GOLDEN YEARS – MATERIALIEN UND POSITIONEN ZU QUEERER SUBKULTUR UND AVANTGARDE ZWISCHEN 1959 UND 1974 und TIDELAND, ein Film von Terry Gilliam vorgestellt.
Diese und viele andere spannende Artikel erwarten euch in der Testcard, die man über die Webseite www.testcard.de bequem beziehen kann. Dort findet man auch Informationen zu den alten Ausgaben.