Er ist das neue Wunderkind des gegenwärtigen Kinos. Nachdem er schon mit „I Killed my Mother“ begeistern konnte, überzeugte er bei den Filmfestspielen in Cannes 2010 mit seinem neuen Film „Les amours imaginaires“ die Jury auch als Drehbuchautor und Hauptdarsteller und gewann prompt den „Prix Regards Jeunes“. Völlig verdient in meinen Augen. Wenn er „nur“ Filmreferenzen, quasi Anleihen an Wong-Kar Wai, Luc Godard oder Francois Ozon abliefern würde, dann wäre er langweilig, dann könnte er niemanden begeistern – seine Kunst besteht darin, diese Techniken zu benutzen und in einen neuen Kontext zu stellen. So dass man den Eindruck hat, sich an etwas erinnert zu fühlen, und gleichzeitig trotzdem etwas ganz Neues zu sehen. Beim Verzaubertfilm-Wochenende in Frankfurt hatte ich die Gelegenheit den wundervollen Film, der am 7.7. in den deutschen Kinos anläuft, vorab zu sehen.
Die Geschichte ist so simpel wie altbekannt: Francis (Xavier Dolan) und Mary (auch im wirklichen Leben die beste Freundin Dolans, Monia Chokri) sind untrennbare Freunde. Sie schlängeln sich stilsicher und ihrer Attraktivität stets bewusst durch die Hipsterszene Montréals. Bei einer Party begegnen die beiden Nick (Niels Schneider), menschgewordener Apoll, mit seinen blonden Locken, seinem hübschen Modell-Gesicht, der sie mehr und mehr in seinen Bann zieht. Fortan treten die beiden engen Freunde in einen Wettkampf um Nicolas, dem sie hilflos ausgeliefert sind. Sonst so souverän und zielsicher, verwickelt sie Nick in ein Spiel, das beide nur verlieren können, denn – wie man weiß: macht es einen verletzlich und schwach, seine Liebe offen zu zeigen. Und Nick spielt gut, ein bisschen kindliche Neugier, ein bisschen scheinbar uneitler Intellekt, ein bisschen reserviertes Flirten, ein hinreißendes Lächeln – und schon verzaubert er die beiden. Schließlich soll ihnen ein Wochenendtrip aufs Land eine Klärung schaffen, für wen sich Nicolas entscheiden möchte.
Eine einfache Geschichte also, genauso übrigens wie in I Killed my Mother. Xavier Dolan konzentriert sich auf eine Hauptgeschichte und verzichtet auf komplizierte Nebenstränge, die alles verkomplizieren. Dafür legt er all seine Phantasie und Kraft in die Geschichte. Seine Dialoge kurz, von eigenem Witz, er lässt seine Figuren nicht alles kaputtreden, vielmehr zeigt er ihre Emotionen in ihren Gesten, in ihrer Mimik. Kleine Blicke, kleine Berührungen, die sehr viel mehr aussagen als tausend Worte. Dabei hat Xavier Dolan keine Angst, immer wieder einzelne kitschige Szenen einfließen zu lassen, im Gegenteil, es macht ihm Spaß, dieses ironische Spiel. Unterbrochen wird dies durch Interviews von Menschen, die von ihrem schlimmsten Herzeleid berichten, schließlich sind wir alle solchen Nicks begegnet, haben uns unsterblich in die falsche Person verliebt. Und haben Liebesbekundungen in kleine Gesten hineininterpretiert, oh, er hat mich am Bein berührt, er hat mich angelächelt, er wollte dies und das – er hat doch Gefühle für mich, oder?
Man leidet mit den beiden Freunden mit, drückt ihnen die Daumen und wünscht beiden ein gutes Ende. Wird es eines haben? Schaut es euch selbst an, ab 7.7. in deutschen Kinos.