Der Roman spielt im Leipzig Ende der 80er Jahre: Mark ist ein junger Mann, der mitten in der Pubertät steckt und sich einfach treiben lässt. Die Schule nervt ihn natürlich, ebenso die Verpflichtungen, die mit der Tatsache verbunden sind, dass er in der DDR lebt. Er muss zu den Jungpionieren, später wird er derjenige, der für die sozialistische Wandzeitung in seiner Klasse verantwortlich ist. Vielmehr umtreiben ihn allerdings seine ersten Schwärmereien, die allerdings nicht Mädchen gelten, sondern seinen Mitschülern. Er sammelt erste Erfahrungen mit Pitti, einem Mitschüler. Nach der Schule trennen sich ihre Wege und bei seiner Kochlehre lernt Mark Raymond, der von achtzehnjährigen pornografische Fotos macht und sich hinterher mit ihnen sexuell vergnügt. Als Mark ihn besucht, lernt er Pascal kennen, einen jungen Punk, der bei Messen als Stricher arbeitet und von Wessis gutes Geld bekommt. Doch er hat kein Glück bei diesem erfahrenen Jungen. Eines Tages wird er bei einer Demo festgenommen und trifft auf seinen ehemaligen Kollegen Pitti. Mit ihm zusammen erlebt er beim Mauerfall in der Westberliner Schwulenszene ganz neue Möglichkeiten, seine sexuellen Wünsche zu entwickeln.
Der Autor Uwe Szymborski wurde 1964 in Sachsen geboren und lebt seit 1992 in Hannover. In diesem Roman erzählt er seine Erfahrungen aus der Schulzeit. Ursprünglich hieß sein Werk „Baby Bottom“, was einen bedeutenden Handlungsstrang der Geschichte charakterisiert.
Aber immerhin – SEIN Sklave, Pittis. Für ihn da sein, ganz und gar. Ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen, nich an sich selbst denken, sondern an ihn, und nur an IHN! Und überhaupt: Sklave – das klingt doch gar nicht so schlecht. Jedenfalls in der Kombination: Pittis Sklave, Pittis persönlicher Boy. Friss den Schnee. Gesicht zur Wand. Hände hintern Kopf! Erst eine ganze Weile später merke ich, wie lange ich ihn schon wortlos anstarre.
Im Westen angekommen, entdecken sie also eine neue Lebensform, Pitti und Mark. Letzterer hat sich schon zu Schulzeiten von Ersterem rumschubsen lassen, mit ihm Mathe gelernt, mit ihm erste sexuelle Erfahrungen gesammelt, wobei natürlich Pitti eindeutig das Sagen hatte.
Das Verhältnis zwischen und mir is anders als früher, ganz anders. Seit wir uns regelmäßig treffen und seit wir zusammen Dinge tun, von denen wir den anderen nich erzählen, sind wir beiden so etwas wie ein verschworenes Team. Freundschaft? Nein, Freundschaft kann man es wohl nich nennen. Mike war mein Freund. Er war ein Kumpel, mit dem man durch dick und dünn gehen konnte. Pitti is anders. Pitti is einfach cool. Pitti is mein Boss.
Der neue Namen „Keine Helden“ steht für eine bestimmte Haltung der meisten Figuren dieses Buches. Mark ist naiv und fügt sich allen Regeln und Gesetze, die ihm aufgebürdet werden. Er sieht nichts Schlechtes am System DDR, er ist ein Mitläufer, der dringendere Probleme hat. Gegen Ende trifft er auch engagierte Menschen wie Jens, der etwas ändern möchte. Zunächst möchte Mark ihm nicht recht glauben.
Wahlfälschung, das klingt nach Betrug, nach Fernsehkrimi. Vielleicht kommt da irgendeine ungeheure Sache ans Tageslicht. Vielleicht werden ´n paar Typen in Handschellen abgeführt. Vielleicht darf man darüber gar nich laut reden. Aber, im Grunde genommen is das doch alles horrender Blödsinn, ´n Scheißwitz. Wahlen gibt es, seit es die DDR gibt. Immer war das Wahlergebnis, soweit ich mich erinnern kann, so hoch. Und hat etwa nur ein einziges Mal was in der Zeitung gestanden von wegen Wahlfälschung? Hat sich irgendwann mal irgendeine Fotze aufgeregt wegen so was?
Als Ronny, ein Mitschüler, der zusammen mit seinen Eltern in den Westen auswandern möchte, mit ihm redet, versteht er ihn nicht.
„Und was is mit dir selber? Was willste nach der Schule machen? Denkste, du kriegst dort ´ne Lehrstelle?“
„Dort haste doch gar keine Zukunft“, mein Ronald.
Das macht Ronny für einen Moment sprachlos. Aber nich lange.
„Ey, eins sag ich dir“, sagt er, „dort drüben hab ich vielleicht keine Zukunft. Aber hier hat der ganze Staat keine.“
Scheiße, was soll ich darauf sagen. Alles, was er sagt, klingt einigermaßen logisch, hört sich richtig an. Und trotzdem weiß ich, dass es insgesamt falsch is, dass es gar nich richtig sein kann. Die ganze Arbeitslosigkeit, die Kriminalität im Westen – das kann man doch auch nich einfach vergessen.
Szymborski legt seinen Helden beziehungsweise Anti-Helden die Sprache der ostdeutschen Jugend in den Mund, was für uns WESSIS ganz interessant erscheint. Formulierungen wie: „Du machst dich voll zum Klops“, „ is doch alles voll Aule“, „ich habe meinen Otto in der Hand“ und „Weichköppe“ kommen oft vor. Noch amüsanter ist für Außenstehende die Funktionärssprache der DDR, die einem allenthalben begegnete:
„Ihr konntet in den vergangenen Tagen verfolgen, wie in Anbetracht der extremen Winterwetterlage unsere sozialistischen Staatsorgane und die Werktätigen der volkseigenen Betriebe und Kombinate verstärkte Anstrengungen unternehmen, um auch unter diesen komplizierten Bedingungen die Situation zu meistern und die Planerfüllung in der Volkswirtschaft unter allen Umständen zu sichern.“
Dies ist ein ganz besonderes Coming-of-Age-Buch. Da hat einer ein Coming-Out, der in einem System aufwächst, das sicherlich nicht demokratisch und bestimmt nicht fair ist. Doch das wird unterwandert, und wir lernen, wie es Schwule in der DDR gehandhabt haben. Da ist Pascal, der auf den Strich geht, Raymond, der junge Männer pornografisch fotografiert und mit ihnen Sex hat. Und dann fällt plötzlich die Mauer und die jungen Herren erleben eine ganz neue Welt, in der es Darkrooms und Sexsklaven gibt.
Der Roman „Keine Helden“ von Uwe Szymborski ist beim Männerschwarm-Verlag erschienen, umfasst 192 Seiten und ist für zwölf Euro im Fachhandel erhältlich.