SHARAYET – Eine Liebe in Teheran

Marcus Brieskorn konnte für RadioSUB diesen US-amerikanisch-iranisch-französischen Spielfilm von Maryam Keshavarz vorab sehen.

Der Film beginnt auf dem Schulhof einer Mädchenschule. Die Lehrerin prüft, ob alle da sind. Schon in dieser Einstellung wird gezeigt, wie nahe sich zwei der Schülerinnen stehen: Atafeh und Shirin. Sie stecken sich heimlich Botschaften zu. Die eine will für die andere sogar das Schulgeld bezahlen, damit sie nicht als unanständig gilt. Und da sind wir beim Thema dieses Spielfilms: Was ist „anständig“ in Teheran? 

 


Nach außen hin passen sich die beiden Schülerinnen Atafeh und Shirin den strengen Vorsätzen des öffentlichen Lebens in Teheran an, doch im Untergrund treffen sie sich mit anderen Jugendlichen auf geheimen Partys. Da wird dann Burka und Kopftuch im Eingangsbereich entrollt, darunter kommt dann ein knappes Silber Pailletten Kleid, die Party kann beginnen. Sind sie dann noch anständig?

Es wird experimentiert beim Sex, Drogen und Alkohol kommen dazu. Und orientalisch angehauchte Technomusik und träumen von einem freieren Leben. „In Dubai ist alles möglich“!

 

Und man träumt davon, etwas zu bewegen. Ein Mittel hierzu: Man will den Film „Milk“ über den ersten schwulen Aktivisten aus Amerika synchronisieren und illegal verbreiten. So wie Harvey Milk wollen auch sie die Massen bewegen und für freie Rechte kämpfen. Der eine oder andere kann sich vielleicht an den Film von 2008 mit Sean Penn erinnern. Als nun Atafeh und Shirin ihre Sprechsequenzen einsprechen klingt mehr als nur synchronisiert, eher als durchlebt. 

Doch es bleibt nicht nur bei dieser Front: Atafehs Bruder Mehran macht auch Druck. Er kehrte von einem Drogenentzug zurück, jetzt ist wieder clean. Der Vater versucht ihn auch wieder in die Familie zu integrieren, gibt ihm Geld für eine Woche, deutet an, dass er eine Arbeitsstelle für ihn hätte. Er besteht allerdings auf regelmäßige Urinproben um sie auf Drogengebrauch kontrollieren zu lassen und er muss Belege über sein Taschengeld abliefern. Mehran versucht daher extrem „sauber“, vorbildlich zu sein – auch ein guter Moslem. Nach einem Besuch in einer Moschee und ersten Kontakten findet er mehr und mehr Halt im religiösen Fundamentalismus, na ja, und so verpfeift er seine ehemaligen Freunde, lehnt Essen ab, das seine Schwester als unanständige und daher schmutzige Frau berührt ha. Für Atefeh wird es zunehmend schwieriger, umso mehr, als Mehran merkt, dass sie und Shirin mehr als nur gute Freundinnen sind.

Und wer ist jetzt anständig? Die religöse Bruder? Die freiheitsliebende Schwester? Die verständnisvollen und von alte Familienzeiten träumenden Eltern? Die Sittenpolizei, die die Jugend nicht verderben lassen will?

Insgesamt also ein ganz spannender und wichtiger Film. Er zeigt mit dokumentarischer Kameraführung, was es heißt, jung zu sein in Teheran und nicht strenggläubig ist. Die Kamera ist wirklich dicht am Geschehen dran und zwar so dicht, dass teilweise nur einzelne Gesichtspartien zu sehen sind. Und es ist für uns Europäer interessant, wie und mit welchen Mitteln die Sittenpolizei umgangen wird. Wie bereits gesagt, taucht das Disco Kleid unter der schwarzen Burka auf, es gibt Wachposten vor illegalen Tanztempeln, die vor der Polizei warnen und so weiter. Ich denke, vor ca. 80 Jahren zu Zeiten des § 175 StGB gab es ähnliche Geschichten auch in Deutschland. 

Kritisieren muss ich allerdings, dass der Film leider vom Dokumentar- zum Spielfilm hin- und herschwankt. Mal ist man mit der Handkamera dicht am Gesicht der Protagonisten, mal werden einfach nur schöne Bilder und Landschaften gezeigt. Manche Schnitte hätten auch früher erfolgen können. Zu Gute halten muss man aber auch, dass es wahrscheinlich auch nicht ganz einfach war, den Film zu drehen, geschweige denn zu produzieren. 

Ausdrücklich loben muss ich den Regieeinfall, immer wieder Filmszenen des laufenden Geschehens einzubauen, die von einfachen Überwachungskameras hätten kommen können. Ein Symbol für die allgegenwärtige Überwachungsmacht der religiösen Sittenpolizei.

Ein mutiger Film, der eigentlich auch eine deutsche Synchronfassung verdient hätte, um ein größeres Publikum anzulocken. Aber immerhin bringt Salzgeber den Film wenigstens mit deutschen Untertiteln in die Kinos.

 

SHARAYET – EINE LIEBE IN TEHERAN startet am 24. Mai 2012 in ausgewählten Kinos, u.a. im Orfeo’s Erben in Frankfurt.

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