Yves Schneider, Moderator und landesweit bekannte Glücksfee der schweizerischen Zahlenlotterie, wird brutal ermordet. Die Gerüchteküche brodelt, der Kreis der Verdächtigen ist groß. Hauptmann Fred Staub von der Zürcher Kantonspolizei und seine KollegInnen müssen seinen Mörder finden. Sie geraten dabei in das flirrende Ambiente des Schweizer Fernsehens, wo zwischen grantigen Regisseuren und adretten Redakteuren die höchste Schwulendichte Zentraleuropas festzustellen ist. Fred Staub deckt binnen kürzester Zeit einen Betrugsskandal in Millionenhöhe auf. Die Öffentlichkeit ist voll des Lobes angesichts der raschen Aufklärung – doch Staub geht das Ganze eine Spur zu schnell. Bei seinen Nachforschungen stellt er fest, dass sein Misstrauen durchaus berechtigt ist und es bei Schneiders Mord um weit mehr geht als um ein paar Millionen Schweizer Franken …
Diesen Kriminalroman entdeckte ich auf der Buchmesse, als ich gerade auf der Suche nach neuen schönen Werken mit homosexuellem Inhalt für Radiosub war. Ich stolperte über den grafit-Verlag, einen kleinen Verlag mit wunderschönen Büchern. Ganz fasziniert vom Cover blieb ich am Regal stehen und schaute mir zufällig das Buch von Solèr an. Ich fragte nach einem Rezensionsexemplar mit Begründung, dass ich schwule Bücher für ein Radiomagazin bespreche. Nun, war die Antwort, das ist kein Schwulenbuch.
So möchte ich ein paar Worte zu diesem Begriff verlieren. SCHWULENBUCH. Was ist die Schwierigkeit bei diesem Wort? Ein Gunther Geltinger mit „Mensch Engel“ ist kein Schwulenbuch, obgleich es eine Hauptfigur hat, die schwul ist. „Den Jungs geht´s gut – Geschichten aus Provincetown“ von John Preston hingegen ist ein Schwulenbuch. Wieso? Das erste Buch thematisiert nicht die Homosexualität, sie ist eine Eigenschaft der Hauptperson, die selbstverständlich erscheint. Sie ist aber nicht relevant für die Geschichte. Prestons Thema ist hingegen der Kampf von Homosexuellen gegen Ausgrenzung, für die Normalisierung einer Lebensart. Beides ist Literatur. Nur Geltingers Verlag Schöffling & Co. sagt zu Recht, dass das Buch ernst zu nehmende und bedeutende Literatur darstellt. Prestons Werk ist vor allem aufgrund seiner gesellschaftlichen Wirkungen so ein wichtiges Buch, nicht aufgrund seiner literarischen Hochwertigkeit.
Deswegen verwahrte sich die Mitarbeiterin des grafit-Verlags gegen den Begriff Schwulenbuch. Sie wollte nicht, dass das Buch in eine Ecke gedrängt wird, in die es ihrer Meinung nach nicht gehört. Das begegnete mir noch mehrmals auf der Buchmesse.
„Staub im Schnee“ ist Ernst Solèrs dritter Roman in der Reihe um Hauptkommissar Staub. Davor hatte er bereits „Staub im Wasser“ und „Staub im Feuer“ veröffentlicht. Leider wird nur noch ein Staub-Kriminalroman folgen: 2009 wird es „Staub im Paradies“ zu lesen geben. Leider ist Ernst Solèr dieses Jahr im Alter von 48 Jahren an einem Krebsleiden verstorben. Er hatte früher beim Schweizerischen Fernsehen gearbeitet. Erfahrungen, die er in „Staub im Schnee“ hat einfließen lassen.
Was kann man über diesen Roman sagen? Zunächst einmal ist es ein Roman mit Figuren, die unheimlich sympathisch und gut gezeichnet sind. Selten war ein Kommissar gleichzeitig so menschlich und so angenehm miesepetrig wie dieser Kommissar Staub. Er hat in dieser Folge Probleme mit seiner Frau. Sie hat sich auch nach zwanzig Jahren Ehe nicht mit seinen Launen und seinem Dauerdienst arrangiert. Sein Partner Michael hingegen ist schwul und hat keinen Partner. Im Laufe der Ermittlungen wird das Thema Eifersucht und Partnerschaft auch durch den Fall selbst thematisiert. Es kommt zu folgendem Gespräch zwischen den beiden:
„Und bei dir?“, frage ich ihn. „Willst du ewig solo bleiben?“ – „Ich habe eben nicht schon vor Jahrzehnten den Richtigen getroffen“, meint er. „Und im Alter wird´s nicht einfacher, für uns Schwule sowieso nicht.“ – „Du bist doch nicht mal vierzig, Michael!“ – „Aber fast! Gut, ab und zu lerne ich schon jemanden kennen, aber grundsätzlich nichts für länger. Im besten Fall ist es kurz und intensiv.“
Schön ist, dass Staub im Laufe des Romans feststellt, dass es ja einerlei sei bei Eifersucht, um welche Art Beziehung es gehe. Wieso sollte es bei Schwulen denn anders sein als bei mir und meiner Frau, denkt er sich. Nichtsdestotrotz hat er mehr Berührungsängste bei den Vernehmungen von Homosexuellen als sein Kollege.
Der Roman ist keine große Kunst, aber das will er auch nicht sein. Er ist sehr kurzweilig und man liest ihn in einem Ruck. Und mehr möchten ja die meisten Krimis auch nicht. „Staub im Schnee“ ist einfach nett, unterhaltsam, sympathisch. Letzteres auch durch die Regionalität dieses Romans. Zum Beispiel die Sprache: Begriffe wie „Natel“ oder „Lavabo“ (Handy bzw. Waschbecken). Wo sonst werden Bratwürstchen „grilliert“ und wo, wenn nicht hier, findet man noch „Rahmkrügli“? Auch die Mentalität der Schweizer und die Politik werden näher beleuchtet. Dieser Roman ist einfach nur zu empfehlen.
„Staub im Schnee“ von Ernst Solèr ist im grafit-Verlag erschienen, umfasst 220 Seiten und ist im Fachhandel für nur 8,50 Euro zu beziehen.