Zack Snyders Heldenepos „300“ basiert auf dem gleichnamigen Comic von Frank Miller. Es geht um die Schlacht an den Thermopylen: 300 Spartaner kämpfen gegen mehrere Zehntausende von Kriegern des Perser-Königs Xerxes.
Leonidas wird den Sitten der Spartaner gemäß nach den härtesten Kampf- und Belastungsproben aufgezogen und muss sich seit seinem siebten Lebensjahr immer wieder im Gefecht beweisen. Sein letzter Kampf in der Bewährungszeit ist beispielsweise gegen einen bösartigen schwarzen Wolf, der ihn in dunkelster Nacht angreift.
Inzwischen ist er König von Sparta, liebender Ehemann von Gorgo und Vater. Nachdem Leonidas den persischen Abgesandten, die Angebote zur Unterwerfung Spartas unter König Xerxes überbringen, wegen ihrer mangelnden Diplomatie im örtlichen Gulli entsorgt, zieht er mit 300 Mann seiner persönlichen „Leibwache“ gegen den im Norden einfallenden Perserkönig, da das von Theron – dem Widerstreiter Leonidas´ in Sparta – bestochene Orakel ihm den offiziellen Kriegszug versagt. An der engen Felsschlucht der Thermopylen versuchen die Spartaner mit einer Handvoll Verbündeter, der zahlenmäßigen Überlegenheit der Perser ihre ganze Kampfkunst entgegenzusetzen.
Zack Snyder hat 2004 den Film „Dawn of the Dead“ adaptiert. Nun versucht er den Erfolg von “Sin City”, der ebenfalls auf einem Comic von Frank Miller basiert, zu wiederholen. So mischt er die Bildgewalt von Sin City mit Einstellungen aus anderen Blockbustern wie zum Beispiel Gladiator, vermengt Elemente von Kampfeskunst aus asiatischen Filmen und versucht außerdem mit faschistisch anmutender Erotik zu begeistern. Die Bilder erinnern gelegentlich an die Bilder von Findus, einem Lieblingskünstler der Faschisten am Anfang unseres Jahrhunderts. Ein Mann muss gestählt sein, hart und kampfessicher. Die muskulösen Körper der 300 Kämpfer werden bewusst so von den Maskenbildnern bearbeitet, dass Hell/ Dunkel-Kontraste entstehen und die faszinierten Zuschauer den Eindruck von absoluter Perfektion haben. Dies erinnert an eine Skulptur von Mary-Jo Lafontaine, die lange im ZKM in Karlsruhe zu besichtigen war. Die monumentale Videoskulptur »Les larmes d’acier« besteht aus 27 Monitoren, 6 Laserdisks und 6 Laserdisplayern, die in eine schwarze Holzarchitektur eingebaut sind. Synchron laufen auf allen Bildschirmen Bilder von athletischen jungen Männern beim Trainieren ihrer Muskeln. Mit ihren Physiognomien und ihrer Statur verkörpern sie den Typus des geklonten Kraftmenschen. Ihr Ziel war es die Widersprüche der westlichen Kultur zu verdeutlichen, den Dualismus von Eros und Thanatos, Gewalt und Leidenschaft, Kraft und Schmerz, Schönheit und Schrecken.
Doch was war Zack Snyders Ziel? Einen Inhalt oder tieferen Sinn gibt es im Gegensatz zum Film „Sin City“ zumindest nicht. Er baut einen Subplot ein, in dem es um Politik geht und in dem Gorgo, die Frau von Leonidas, versucht, den Rat der Älteren auf ihre Seite zu ziehen und dafür zu sorgen, dass ihr Mann Hilfe von der Armee Spartas erhält. Diese Nebenhandlung nimmt dem Film nicht nur Fahrt, sondern zeigt die ganze fehlende Tiefe des Machwerks. Sie spricht von Ehre und einer Weltordnung in gleichberechtigter Freiheit, während die eigenen Kinder keine Chance bekommen. Denn wie der Brauch Spartas besagt, dürfen nur die stärksten und widerstandsfähigsten Kinder überleben, die Verkrüppelten und Schwachen werden sogleich entsorgt. In diesem Sinne wirkt es geradezu lächerlich, wenn Gorgo oder Leonidas von Ehre schwadronieren, und gerade der Letztere hat viele Monologe zu diesem Thema zu halten.
Das Thema Homosexualität ist den ganzen Film über sehr präsent. Die Spartiaten verspotten die Athener als „Knabenliebhaber“, damit sie beweisen können, wie männlich sie selbst sind. Xerxes dagegen, der als Inkarnation des Bösen und König der Perser gilt, wird als effeminiert dargestellt. Obwohl er Leonidas um mehrere Haupteslängen übertrifft, wirkt er grazil. Sein Gesicht ist voller Piercings, die Augenbrauen hat er sorgfältig gezupft und die Lider mit Lidstrich verschönert. So liegt auf der Hand, dass Snyder die Figur damit in Verruf bringen will. Mit Erfolg: im Iran hat seine Strategie prompt das gewünschte Ergebnis gezeitigt. Der Film sei eine klare Beleidigung aller Iraner, ließ der Kulturminister Hussein Safar Harandi letzte Woche in Teheran verlauten, wie die TAZ am 10.4.2007 berichtet. Der Film dürfte aber gerade auf Schwule eine Sogwirkung ausüben. Die Ästhetik von „300“ ist zu vergleichen mit Fotostrecken in Magazinen, die für schwule Leser produziert werden. Viele homosexuelle Männer verehren Waschbrettbäuche, schwören auf drei bis fünf Mal Fitness-Studio in der Woche und belächeln andere Männer, die ein paar Speckröllchen zu viel haben. Diese hypertrophe Virilität und das Macho-Getue gehören einfach zum Selbstverständnis des schwulen Mannes in der Szene dazu. Die Frage ist nun allerdings, was das für diese Szene besagt: möchte man diese Oberflächlichkeit weiter aufrechterhalten und mitunter in die Nähe der faschistoiden Bilderwelt des Dritten Reiches gelangen? Oder erscheint es nicht notwendig, ein neues Selbstverständnis aufzubauen, in dem neue Rollenvorstellungen, neue Körperbilder, neue Ideen von Gender eine Rolle spielen?
Und trotzdem: obwohl ich so viel Negatives über den Film zu berichten weiß, kann ich nicht verhehlen, dass der Film trotz 117 Minuten Länge sehr kurzweilig erschien und mir vor allem die Bilder und die gut gebauten Männer, allen voran Astinos, der von Tom Wisdom gespielt wurde, sehr gut gefielen. Sehenswert ist er auf jeden Fall, Tiefe hat er hingegen nicht. Man kann sich treiben lassen, aber darüber nachdenken nicht. Wer sich diesen Film anschauen möchte, muss genau wissen, was er erwarten kann und was er nicht erwarten darf. Dann kann er ihn auch genießen.