Swans von Hugo Vieira da Silva

Der Verleih Salzgeber hat sehr viele anspruchsvolle Filme in seinem Programm, einer meiner Lieblingsfilme ist zum Beispiel „Wild Tigers I Have Known“, ein anderer „Glue“. Sehr anspruchsvolle Filme, die man sicherlich in seinem DVD-Regal in die Reihe der Arthouse-Filme stellen kann. Natürlich sind die Filme unterschiedlich sehenswert und unterschiedlich gut, manche sind richtige Burner und zu Unrecht nicht sehr bekannt, manche dagegen…

In dem Film „Swans“ von Hugo Vieira da Silva kommen ein Vater und sein halbwüchsiger Sohn nach Berlin. Der Junge hat seine Mutter, die jetzt im Krankenhaus im Koma liegt, niemals zuvor gesehen, und der Vater sieht sich mit einer ungeklärten Vergangenheit konfrontiert. Die fremde, winterlich graue Stadt und die bedrohlich wirkende Klinik verunsichern beide, und auch die Wohnung der Mutter, in der der Junge mit seinem Vater unterkommt, ist bedrückend. Aber es gibt dort eine ebenso geheimnisvolle wie attraktive Mitbewohnerin, die Freundin der Mutter. Während der Vater auf Heilung hofft, geht der Junge auf Streifzüge in die Stadt. Eine aufgeladene Atmosphäre entsteht zwischen Distanz und Verlangen, zwischen Berührungsangst und Todesnähe, zwischen Langeweile und wilden Skateboard-Fahrten.

Der Regisseur versucht ein eigenes einschneidendes Erlebnis, einen Besuch bei einer an Krebs erkrankten Freundin, die plötzlich ins Koma fällt, in diesem Film zu verarbeiten. Was ihn am meisten faszinierte war diese Stille, die von den reglosen Körpern ausgeht, die Atmosphäre auf so einer Station. So arbeitet er in diesem Film mit wenig Ton, mit vielen Bildern. Der Film spielt an wenigen Plätzen, die eigenartig steril und gleichzeitig bedrückend wirken, die Klinik, das Apartment der im Koma liegenden Mutter, die Skateboard-Halle.

Auch der Umgang der einzelnen Personen untereinander ist ein sehr eigenartiger, es wird kaum gesprochen, es herrscht Beziehungslosigkeit vor. Insbesondere zwischen Vater und Sohn. Jede Figur versucht auf ihre Weise, in Beziehung zu treten, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Der Junge tut dies unter Zuhilfenahme seines Körpers und seiner Sexualität, aber auch des Körpers seiner Mutter, der ihm zunächst ebenso fremd ist wie die Person an sich. Er kann sich nicht an sie erinnern. Und nun liegt sie im Koma vor ihm und er weiß nicht so recht… Seine Inbesitznahme dieses nicht mehr wirklich lebenden Körpers ist leicht verstörend. Der Vater versucht Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Einklang zu bringen, doch der Sohn verweigert sich.

Die geheimnisvolle Freundin der Mutter verstört ebenso, einerseits durch das Geheimnis, das im Laufe des Films lapidar aufgelöst wird, andererseits durch diese Bewegungslosigkeit, die sie auszeichnet. Der Film wird nicht durch Handlungen vorangetrieben, eigentlich wird er gar nicht vorangetrieben. Es scheint sich die Starre, die von der im Koma liegenden Mutter ausgeht, auf alles zu legen. Der Film besteht aus Aufnahmen, aus Bildern, kleinen Stillleben. Er möchte Langeweile abbilden. Und tut dies wirklich sehr gut. Nur ist es ein schmaler Grat zwischen Langeweile abbilden und einen öden Film anschauen müssen.

Lobende Worte sind allerdings über Ralph Herforth, der den Vater, und Kai Hillenbrand, der den Sohn spielt, zu verlieren. Sie wirken authentisch und insbesondere ersterer ist ein Klasse Schauspieler, den man gerne öfter in Filmen sehen möchte.

Der Rezensent ist sehr zwiegespalten zwischen „Habe ich wohl nicht ganz verstanden“ und „Vielleicht war er doch so öde, wie ich ihn empfunden habe“.

Gerne möchte ich euch aufrufen, ihn euch selbst anzuschauen. Er läuft seit 14.7. in deutschen Kinos. Leider im Mal Seh´n Kino nur zwischen Donnerstag, dem 14.7., bis Sonntag, den 17.7., um 17.45 Uhr. Aber auf Salzgeber.de wird es ihn sicher bald als DVD geben. 

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